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About
a Boy
Die
Sache mit der Insel
Fast
könnte man Will (Hugh Grant) beneiden: Er ist jung, dynamisch, gutaussehend,
hat einen tollen Flitzer auf der Strasse und das Super-Mega-Home-Entertainment-Sound-System
in der Bude stehen. Doch leider verfügt er auch über einen kleinen
Schönheitsfehler: Menschlich gesehen ist Will ein wahrer Super-GAU. Er
verbringt seine Tage, Wochen, Monate, Jahre damit, in kleinen Zeiteinheiten
zu leben (eine halbe Stunde fernsehen: 1 Zeiteinheit), sich mehr oder weniger
gelangweilt auf dem Sofa rumzulümmeln und bei alldem möglichst für
nichts ud niemanden Verantwortung zu übernehmen. Frauen sind ein hübscher
Zeitvertreib, ist der Zeitvertreib mit ihnen nicht mehr gar so hübsch,
werden sie abgeschossen. Für das neugeborene Kind eines befreundeten Paares
die Patenschaft zu übernehmen, ist für Will ebenso undenkbar wie eine
geregelte Arbeit.
Muss
er ja aber auch nicht. Arbeiten gehen. Vor Jahren schrieb sein Vater einen Weihnachtssong,
von dessen Erträgen sich Will bis heute ein schönes Leben machen kann.
Arbeiten ist er nie gegangen, und warum auch, wenn man auch so haufenweise CDs
und coole Klamotten kaufen kann? Eben.
Doch
dann ändert sich Wills Leben zusehends. Um Frauen kennenzulernen, hat er
eine neue Strategie entwickelt: Er nimmt an Treffen einer Selbsthilfegruppe
alleinerziehender Eltern teil – praktischerweise ausser ihm nur alleinerziehende
Mütter. Zu diesem Zwecke erfindet er einen kleinen Sohn, den er selbstverständlich
gar nicht hat, und gewinnt die Herzen der Frauen mit einer anrührenden
Geschichte darüber, wie seine Frau ihn und seinen Sohn im Stich gelassen
hat. Münchhausen wäre stolz auf ihn.
So
lernt er Marcus (Nicholas Hoult) kennen. Marcus ist ein Aussenseiter, der von
seiner depressiven Mutter (Toni Collette) vegetarisch ernährt und höchst
interessant eingekleidet wird. Der Zwölfjährige verzweifelt an den
Selbstmordversuchen seiner Mutter und sieht in Will alsbald einen Freund, dem
er nach der Schule auf die Nerven fallen kann, wenn er nicht zu seiner Mutter
nach Hause gehen möchte. Und Will ist genervt. Er kann Marcus, so sagt
er, bei dessen Problemen nicht helfen. Und Verantwortung will er schon gleich
gar nicht übernehmen.
Wider
Erwarten jedoch raufen sich die beiden Jungs (denn seien wir ehrlich: Will ist
ein grosser, verantwortungsloser Junge) zusammen, eine recht ungewöhnliche
Freundschaft entsteht. Und als Will dann die umwerfende Rachel (Rachel Weisz)
kennenlernt, ihres Zeichens alleinerziehende Mutter, da wird erneut der Münchhausen
in ihm wach und Marcus kurzerhand zu seinem Sohn. Ob das man gut geht?
Binnen
weniger Jahre ist der britische Autor Nick Hornby zu einem household name geworden,
wenn es darum geht, Romane zu schreiben, die kurz drauf auch gleich noch verfilmt
werden. Sein Erstling "Fever Pitch", der sich des Themas Fussball
annimmt, wurde ebenso verfilmt wie "High
Fidelity",
seine Ode an die Popmusik. Wohl nur eine Frage der Zeit konnte es sein, bis
auch "About a Boy" den Weg auf die Leinwand fand.
2002
war es dann soweit. Der Name Hugh Grant löste bei der werten Rezensentin
zunächst argen Widerwillen aus. Grant, der glatte Schönling mit dem
‘fluffy hairdo’, sollte den egomanischen Will spielen? Und das auch noch unter
der Regie des Brudergespanns Paul und Chris Weitz, die für solch… nun,
interessante Filme wie "American Pie" die Verantwortung zu übernehmen
haben? Konnte das gut gehen? Oder würde das bedeuten, dass der hintergründige
Humor Hornbys albernen, unter der Gürtellinie anzusiedelnden Gags zum Opfer
würde fallen müssen?
Die
Antwort, schlicht und ergreifend: Nein. Die oben genannten Herren können
auch anders. Vor allem gelingt es ihnen, der Romanvorlage über weite Strecken
so treu zu bleiben, dass Meister Hornby auch gleich noch als Executive Producer
fungierte – einen grösseren Vertrauensbeweis kann ein Autor den Menschen,
die mit seiner Vorlage ‘rumpfuschen’, wohl nicht aussprechen.
Eine
Tragikkomödie ist es also, die alle Beteiligten dem Zuschauer präsentieren.
Da ist Will, der unbeschwert in den Tag hinein lebt und dabei als einzige Richtlinie
seine Zeiteinheiten hat, die seine Tage ein wenig strukturieren sollen. Das
ist natürlich alles Mumpitz. Müßiggang bleibt Müßiggang,
egal, in welche Kartons man ihn verpackt. Und sein anfängliches Motto "Every
man is an island, and I am Ibiza" klingt nicht nur beknackt, es ist auch
beknackt. Was Will im Laufe des Films auch einsieht.
In
Bezug auf Will ist das eine klassische coming-of-age-Geschichte. Er durchläuft
eine Entwicklung vom verantwortungslosen Arschloch hin zu einem jungen Kerl,
der einsieht, dass es nicht nur ihn gibt auf der Welt, sondern dass da auch
noch andere Menschen sind. Menschen, die unter Umständen an den Problemen,
die das alltägliche Leben ihnen bereitet, zu zerbrechen drohen und allein
keinen Ausweg finden. Die auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen sind.
Und
Will lernt, diese Hilfe zu geben. Langsam zwar, aber immerhin. Er lernt es durch
Marcus und dessen Mutter. Menschen, die Will eigentlich weder kennt noch sonderlich
mag, vielmehr hält er sie für ein wenig spinnert und sonderbar. Was
sie irgendwie auch sind, was sie aber ebenso irgendwie auch sehr liebenswert
macht.
Marcus
Mutter also leidet an Depressionen (der tragische Teil der Geschichte, der aber
niemals ins Schmonzettige abrutscht), begeht einen Selbstmordversuch, und fortan
ist Marcus Welt nicht mehr die gleiche. Immer wird er nun verfolgt von der Angst,
mittags nach Hause zu kommen und seine Mutter tot auf dem Sofa vorzufinden.
Also geht er mittags eben nicht nach Hause. Er geht zu Will. Wo er gemeinsam
mit Will auf dem Sofa vor dem Fernseher abhängt, blöde game shows
kuckt, Chips isst – und irgendwann brav seine Sachen zusammenpackt und nach
Hause geht. So, als hätte er sich bei Will, der das alles schweigend über
sich ergehen lässt, die Kraft geholt, die er braucht, um daheim durch die
Wohnungstür zu treten und in seine kleine, wenig glückliche Welt zurückzukehren.
Welche sich durch Will langsam aber sicher verändert, ebenso, wie sich
Wills Welt durch Marcus immer mehr verändert.
Will
kauft Marcus topmoderne Sneaker, als Kids aus seiner Schule Marcus bis vor Wills
Haustür verfolgen und hänseln. Marcus lässt sich bereitwillig
als Wills Sohn engagieren, damit Will bei der alleinerziehenden Rachel Eindruck
machen kann. Will verhilft Marcus zu mehr Selbstbewusstsein und damit zu einer
Freundin in der Schule, die Marcus unglaublich cool findet – und dieses coole
Mädel gibt sich nun wirklich und wahrhaftig mit dem sonderbaren Marcus
ab.
Am
Ende sieht Will ein: Die Sache mit den Inseln funktioniert so nicht. Um wirklich
glücklich zu sein, braucht man Menschen um sich, die sich umeinander kümmern
und füreinander da sind. Man muss Verantwortung für sich und für
andere übernehmen, auch, wenn das manchmal eine sehr komplizierte Angelegenheit
ist. Man muss sich auf andere Menschen einlassen, muss ihnen eine Chance geben,
sich zu beweisen. Vor allem sollte man aufhören, ständig Seemannsgarn
zu spinnen und nur um sich selbst zu kreisen.
Und
so sehr das nun in geschriebenen Sätzen nach Lehranstalt klingen mag: Verpackt
wird diese Message in ein herrlich amüsantes Paket, welches man, einmal
ausgepackt, gar nicht wieder aus der Hand legen mag. Definitiv ein Film zum
Immer-wieder-kucken.
Petra
H. Knobel
Diese
Kritik ist zuerst erschienen bei: www.ciao.de
Zu
diesem Film hat die filmzentrale im archiv
mehrere Texte
About a Boy
GB/USA
2002. R,B: Paul Weitz, Chris Weitz. B: Peter Hedges. K: Remi Adefarasin. S: Nick Moore. M: Damon Gough. P: TriBeca, Working Title. D:
Hugh Grant, Toni Collette, Nicholas Hoult, Rachel Weisz u.a. 101 Min. UIP ab
22.8.02
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