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Abgerechnet
wird zum Schluss
(Warnung: Spoiler ahead)
Zu Beginn wird Cable Hogue ohne
Wasser in der Wüste ausgesetzt und seinem, scheint’s, eindeutigen Schicksal
überlassen. Natürlich aber ist der alte Kämpe zäh wie Leder,
überlebt vier Tage ohne Wasserzufuhr und stößt gerade im Moment
der endgültigen Selbstaufgabe auf ein Wasserloch, ausgerechnet nahe einer
Kutschenstrecke, das ihm fortan das Auskommen sichern wird. Natürlich sinnt
Hogue auf Rache, doch ist diese – da trifft der deutsche Verleihtitel ausnahmsweise
mal genau den Punkt – dem Beschluss des Films vorbehalten. Und weil dieser Film
einer voller Überraschungen ist, voller seltsam schillernder, wie merkwürdiger
Momente, wird auch die Rache nicht so von statten gehen, wie man das von einem
Rachefilm gewohnt ist…
Produced & Directed by Sam
Peckinpah, das steht im Vorspann. Und das alleine schon lässt aufmerken;
wie kaum ein zweiter auteur in Hollywood war Peckinpah ein
von Produzentenhand gegängelter, dessen Kinovision stetig unterminiert
und sabotiert wurde. Kaum einer seiner Filme ist deshalb wirklich so, wie er
sich das gewünscht hatte. Alleine schon das Ausmaß der Rekonstruktionsversuche
in den letzten Jahren spricht Bände; kaum ein Beitrag seiner Filmografie,
der nun, im Zeitalter der DVD und des cinephilen Respekts vor einem großen
Meister, nicht in einer Fassung auf den Markt käme, die bemüht ist,
eine künstlerische Integrität wieder herzustellen. Dass dies meist
nur annäherungsweise, ja wenn überhaupt, gelingt, ist dabei ein trauriges
Indiz für die Gewalt, die Peckinpahs Filmen angetan wurde. Man schaue sich
alleine Major
Dundee
an, diesen selbst noch in der aktuellen Fassung nur als Ruine erkennbaren Film,
dessen eigentliche künstlerische Intention unter den Fragment bleibenden Sequenzen
lediglich hindurch schimmert.
Cable Hogue also ist von vorneherein anders.
Voller Überraschungen, eigenartig, merkwürdig, hie und da brillant,
nicht selten von einem deliranten Humor durchzogen, dann wieder tieftraurig,
ruppig, nicht zuletzt zärtlich und von eigentümlicher Leichtigkeit
im Umgang mit dem Material. Peckinpah, so wirkt der Film jedenfalls, konnte
hier erstmals walten, wie er wollte. Möglicherweise ist er deshalb Peckinpahs
experimentellster, sicher aber schwierigster Film; man muss sich darauf einlassen
können, in seinen Erwartungshaltungen und Schablonen ständig vor den
Kopf gestoßen zu werden. Das storytelling ist auf eine Weise den Genremustern des Westerns enthoben, dass
man sich überhaupt erstmal neu justieren muss; Schnitt und Kamera hingegen
scheinen ihrerseits von Konventionen Abschied genommen zu haben und überraschen
stets aufs Neue mit unerwarteten Experimenten. Man muss das wirklich selbst
gesehen haben, um es zu glauben.
Seltsame, historische Bündnisse
ergeben sich. Der burleske Tonfall erinnert, so scheint es wenigstens, nicht
von ungefähr zuweilen an das früheste Kino. Der Film ist ja selbst
ungefähr zur selben Zeit situiert, spielt jedenfalls im ersten Jahrzehnt
des 20. Jahrhunderts. An einer Stelle ertönt sogar Musik, wie man sie sich
in einem Nickelodeon dieser Tage gut vorstellen kann. Peckinpah selbst experimentiert
mit den haptischen Möglichkeiten von Filmmaterial: Er beschleunigt – und
lässt seine Figuren dadurch komische Veitstänze bis hin zum Slapstick
aufführen – , schneidet quer, wo er nur kann. Es ergibt sich eine eigentümliche
Form von Dynamikerfahrung, die charakteristisch für die Zeit des Aufbruchs
des Kinos sein mag; zugleich beißt sich diese mit der Weite und Gelassenheit
der erhabenen Wüstenaufnahmen, wie sie für den Western so konstitutiv
sind. Ein Widerstreit der Seherfahrungen, der seinen guten Grund hat: Ballad of Cable Hogue handelt
ja genau von jenen irritierenden Umschwungmomenten, in denen sich Tradition,
Geschichte und Technik ineinander schieben und neue Weichenstellungen ergeben.
Am Ende nämlich bricht schließlich das Automobil in diese Zeitblase,
die Hogues Wasser-Wüstenstation darstellt, in dieses letzte Refugium des
Westerns und des Wilden Westens ein: Was sich mittels der Manipulation des Filmmaterials
auf Bildebene bereits ankündigte – Beschleunigung, Mechanisierung, Geschwindigkeitsdynamik
-, tritt nun ganz narrativ-immanent in den Film: Die moderne Technologie, die
Spitzenphänomene der Industrialisierung. Die beiden prominentesten Kinder
des ausgehenden 19. Jahrhunderts – Automobil und Kino – geben sich bei Peckinpah
im Wilden Westen die Hand und beenden diesen gleichsam [dass der klassische
Westen im Kino eine beinahe nahtlose Verlängerung erfuhr, ist ja nun auch
mehr als bloß eine historisch amüsante Fußnote]. Und was Wüste
und Dörre anfangs nicht hinbekamen, schafft ein Auto glatt im Nu: Der alternde
Held wird überrollt und verlässt eine Zeit, in der er ohnehin keinen
Platz mehr hat, aber immerhin noch mit gelassenem Alterswitz.
Zwei Jahre zuvor verabschiedete
sich der große, epische Western in Sergio Leones Once Upon a Time in the West mit opernhafter Geste von sich selbst; hier nun wird der Wilde
Westen rückblickend zu Grabe getragen. Es mag kein Zufall sein, dass Peckinpah
hierfür Leichtigkeit und Beiläufigkeit zur Methode erhoben hat; so
unpathetisch, so väterlich gelassen wie hier ist noch kein Westerner aus
einem Film geschieden. Und in beiden Filmen ist es – Zufall? – der Schauspieler
Jason Robards, dessen Figuren am Ende mehr oder weniger kläglich zu sterben
haben. Doch der Tonfall ist je verschieden: Bei Once Upon a time… ist es ein erbärmliches Verrecken im Staub, Cheyennes Umkippen
auf den Boden nurmehr ein Akzent im Soundtrack von Morricone, der an dieser
Stelle eine Kunstpause einlegt; wie ungleich anders doch Robards’ Tod als Cable
Hogue. Ein nachgeschobener Abschied – vom Westen, vom Western -, ohnehin schon
alles post-mortem.
Thomas Groh
Dieser Text ist zuerst erschienen
im:
Abgerechnet
wird zum Schluss
THE
BALLAD OF CABLE HOGUE
Ballade von
Cable Hogue
USA
– 1969 – 121 min. – Verleih: Warner – Erstaufführung: 4.9.1970/24.8.1973
Kino DDR – Produktionsfirma: Phil Feldman Prod.
Produktion:
Phil Feldman, Sam Peckinpah, William Faralla
Regie:
Sam Peckinpah
Buch:
John Crawford, Edmund Penney
Kamera:
Lucien Ballard
Musik:
Jerry Goldsmith
Schnitt: Frank
Santillo, Lou Lombardo
Darsteller:
Jason Robards
(Cable Hogue)
Stella Stevens
(Hildy)
David Warner
(Joshua)
Strother
Martin (Bowen)
Slim Pickens
(Ben)
L.Q. Jones
(Taggart)
Peter Whitney
(Cushing)
R.G. Armstrong
(Quittner)
Gene Evans
(Clete)
William Mims
(Jensen)
Kathleen
Freeman (Mrs. Jensen)
Susan O’Connell
(Claudia)
Vaughn Taylor
(Powell)
Max Evans
(Webb)
Felix
Nelson (William)
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