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9
Songs
Laß es einfach geschehen.
Zu erklären
gibts nichts, und das ist grade das Hinreißende an diesem Britfilm. London.
8mal in ein Rock’n’Roll-Konzert gehen vom Black Rebel Motorcycle Club bis zu
Franz Ferdinand. Und was zwischendurch? Sex. Sex. Sex. And Drugs (Tabak! Speed! Koks!).
War die Kamera vorher im Publikum
und nahm die Musikbühne frontal, kommen jetzt raffinierte Großaufnahmen.
Ein Nippel, sacht massiert von Daumen und Zeigefinger. Eine Scheide, geöffnet.
Was hindert die Kamera am Eindringen? Ein ejakulierender Penis.
– Es fällt kein Wort. Auch die Montage kommentiert nicht. Kein Dekor, kein
Was-will-der-Autor-damit-sagen. Wohl aber Sexgeschäftigkeit im stillen
Einverständnis, –
alltägliche Kommunikation, befreit vom
Bedürfnis, sich entschuldigen oder doch erklären zu müssen. –
Das ist die Sensation der "9 Songs": es fehlt die psychologisierende
Exkulpation, und es fehlt die Schutzbehauptung, es werde halt Realität
dokumentiert. Ergebnis: wir sind mit diesem Film allen legitimatorischen Spinnkram
los. Dank Regisseur Michael Winterbottom ("In This World"), der "9
Songs" für 160.000 Dollar in 8 Tagen gedreht haben will.
Dramaturgie gibt es dennoch. Die
Sexkommunikation kommt an ihre Grenzen. Fesselspiele? Warum nicht. Mal was zu
dritt ausprobieren im Sexclub? Eher nicht. Einsam vor sich hin masturbieren?
Nä, der/die andere wird sauer. Allerdings wissen wir, daß die Liaison
zwischen der aufgeschlossenen Austauschstudentin und dem knackigen Klimafolgenforscher
von kurzer Dauer ist. Das hat er uns gleich am Anfang rückblickend gesagt,
auf dem Luftweg ins arktische Eis. Meine Rückfrage beim hiesigen einschlägigen
Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (Pik) hat allerdings ergeben,
daß die Forscher keineswegs mit einer kleinen Maschine allein ins große
Weiße fliegen, um sich vom Eiskern Scheiben abzuschneiden. Das hinwiederum
hielt die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) nicht ab, "9
Songs" für Jugendliche ab 16 Jahren freizugeben. Zu bedenken ist dabei,
daß die FSK schon seit langem von den Jugendbehörden übernommen
worden ist. Die Freigabe der "9 Songs" ist ein Verwaltungsakt. Bravo
doch! Ganz im Trend der bravourösen Verkehrung. Schützten vor gut
zehn Jahren die Filmprüfer noch die deutsche Jugend vorm Film, so schützen
sie heute die Jugend (medienkompetent!) vor inkompetenten Erziehungsberechtigten.
Für 16jährige ist das also schon okay mit sex and drugs and rock’n’roll
– im Kino.
Diese Kritik wird erscheinen im Februar 2005 in: Konkret
Großbritannien 2004 – Originaltitel: Nine Songs – Regie:
Michael Winterbottom – Darsteller: Kieran O’Brien, Margo Stilley – FSK: ab 16
– Länge: 69 min. – Start: 20.1.2005
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