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8
Frauen
Inhalt:
Zu
Weihnachten treffen sich die ausschließlich weiblichen Mitglieder einer
reichen Familie im Haus der Eltern, im dem auch die Großmutter lebt. Als
der einzige Mann in der Runde, der Hausherr Marcel, direkt zu Beginn der Zusammenkunft
mit einem Messer im Rücken aufgefunden wird, beginnen die acht verbliebenen
Damen, sich gegenseitig zu verdächtigen. Als das Haus durch heftigen Schneefall
von der Außenwelt abgeschnitten wird, wird alsbald klar, dass nur eine
von ihnen die Mörderin gewesen sein kann…
Kritik:
Eigentlich
wartet man am Ende von 8
Femmes
nur auf die Verbeugung, mit der sich die acht Diven aus François Ozons
neuestem Film von ihrem begeisterten, hochzufriedenen Publikum verabschieden.
Es ist ein Film geworden, der am Ende des Jahres auf vielen Top-10-Listen zu
finden sein wird; einer dieser wenigen Filme, die vom Publikum wie von der Kritik
gleichermaßen gefeiert werden.
Spätestens
seitdem er vor zwei Jahren Sous
Le Sable
(Unter
dem Sand)
auf die Leinwand brachte, in dem Charlotte Rampling eine großartige und
sehr bewegende Leistung brachte, gilt Ozon als eines der größten
Talente, in der an Talenten keineswegs armen französischen Kinolandschaft.
Wie er selbst in einigen Interviews sagte, brachte ihm Sous
Le Sable
so viel Popularität und Anerkennung ein, dass es ihn nun kaum noch Mühe
koste, bekannte Darsteller vor die Kamera zu bekommen, da quasi die gesamte
Darstellerelite Frankreichs Interesse am Mitwirken bei seinem Schaffen bekundet
hatte. Was er uns allerdings mit 8
Femmes
präsentiert, sprengt beinahe schon den Definitionsumfang des Wortes "Starkino".
Ozon versammelt die größten weiblichen Filmstars Frankreichs vor
seiner Kamera und ehrt dabei mühelos nahezu jede Epoche französischer
Kinokunst seit den 30er-Jahren.
Angefangen
bei der inzwischen 85-Jährigen Danielle Darrieux, die unter anderem schon
für Max Ophüls’ in dessen Klassikern La
Ronde
(1950) und Madame
De…
(1953) mitwirkte, über Frankreichs wohl bekannteste Leindwandactrice Catherine
Deneuve, die auch mit nun beinahe 60 Jahren noch immer fast so schön ist,
wie seiner Zeit in Bunuels Belle
De Jour,
bis hin zur "nächsten Generation" um die zauberhaften Virginie
Ledoyen und Ludivine Sagnier, bietet Ozon ein Aufgebot der Superlative auf,
dass es jedem Cineasten ein blankes Vergnügen ist. Und dieser Regisseur
ist verliebt in jede einzelne seiner acht Darstellerinnen! Das spürt man
sofort; in jeder Szene, jeder Einstellung, in denen eine jede der acht Grazien
ihren ganz individuellen, großen Auftritt bekommt. Wenn sich etwa Catherine
Deneuve und Isabelle Huppert, die zwei zerstrittene Töchter Danielle Darrieux’
spielen, in einer wunderbaren Szene des Films so dermaßen beschimpfen,
dass es gar zu einem kleinen Handgemenge kommt, dann ist das nicht nur enorm
komisch, sondern gleichzeitig auch – wie fast alle anderen Rollen ebenso – eine
hinreißende Karikatur der sonstigen Rollen beider Darstellerinnen: Deneuve,
ganz die über alles erhabene Diva, gewandet in Samt und Seide und mit einem
Blick, der Stahl durchdringen könnte, und Huppert – als herrliche Reminiszenz
an ihre zumeist enorm ernsten Rollen – als sittentreue, zickige Cholerikerin
mit hochgestecktem Haar, strengem, spitzen Gesicht und einer grell hervorstechenden,
roten Brille. Wenn sich dann auch noch Fanny Ardant als elegant-mondäne
Versuchung in Schale wirft und eines der vielen großartigen Chansons des
Filmes anstimmt, bleibt kaum ein Auge trocken. Der Anblick dieser vielen Legenden,
die durch die Jahrzehnte der Filmgeschichte gewandert sind, als seien es lediglich
Augenblicke gewesen, ist insbesondere für filmhistorisch etwas versiertere
Filmfreunde ein Hochgenuss. Allein wenn man sie sich in Rollen wie Repulsion
(Ekel)
(Deneuve), La
Pianiste
(Die
Klavierspielerin)
(Huppert) oder Mélo
(Ardant) ins Gedächtnis ruft, muss man schon unweigerlich schmunzeln, wenn
man sich dann wieder auf ihr Erscheinungsbild in 8
Femmes
konzentriert – so hinreißend spielen und stilvoll parodieren sie sich
gar selbst.
Wenn
nun der Eindruck geweckt worden ist, 8
Femmes
wäre nur etwas für Cineasten, die in der Lage sind, die zahlreichen
Anspielungen auf die Filmhistorie zu verstehen, so liegt man völlig falsch.
Sicherlich gewinnt der Film sehr viel durch diese kleinen Rollenzitate, dieses
kleine Augenzwinkern, aber würde er sich allein darauf verlassen, wäre
es fast ein blankes Selbstzitat. Nein, dass der Film so ein ungeheures Vergnügen
geworden ist, liegt neben den Darstellerinnen, auch ganz schlicht und einfach
an seinem Regisseur. Ozons Film ist eine mitreißende Melange aus Komödie,
Musical, Drama, Bühnenadaption (Robert Thomas), Agatha-Christie-Krimi und
klassischem "Whodunnit?" mit vorzüglichen Wendungen und Überraschungen
geworden, wobei sich der 34-jährige Ozon jedem Element gleichermaßen
verpflichtet fühlt und den Zuschauer somit teils auf eine wahre Achterbahnfahrt
der Gefühle mitnimmt. Zwar überwiegen doch eher die komischen Momente,
aber Ozon gelingt es, die zart-melancholischen Abschnitte über die Unmöglichkeit
der Liebe auf außerordentlich bemerkenswerte Weise in Szene zu setzen.
Hierbei kommt es dann auch nie zu Ungereimtheiten bei den sich teils schnell
vollziehenden Phasenübergängen, sondern der Regisseur kreiert ein
bitter-süßes Gesamtbild, in das sich sowohl die tragischen, wie auch
die humoristischen Elemente nahtlos fügen. Dabei bleibt jedoch immer klar
erkennbar, was Ironie, was Parodie und was tatsächlich melancholisch gedacht
ist. Durch diese zahlreichen Elemente, die ineinander gewoben werden, ergibt
sich jedoch auch eine Problematik, an der Film aber schuldlos bleibt. Von vorneherein
muss dem Zuschauer klar sein, dass 8
Femmes
ein völlig künstlicher, konstruierter Film ist. Dies ergibt sich unweigerlich
aus dem filmhistorischen Anspruch des Werkes, klassische Genrefilme (und deren
Figuren) gleichermaßen zu parodieren, wie ihnen eine liebenswerte Hommage
zu bereiten. Schon in einer der ersten Szenen, in der Suzon (Virginie Ledoyen)
das Haus betritt, und ihre Großmutter (Danielle Darrieux) freudig ausruft
"Oh, Suzon, meine Enkelin!", wird deutlich, wie verspielt und beiläufig
Ozon gewohnte Klischees und die Unstimmigkeiten der typischen Genrefilme aufs
Korn nehmen will. Und immer wieder begegnen uns während des Films Szenen
und derart zuckersüße Kameraeinstellungen, die so herrlich konstruiert
wirken, dass man sich unweigerlich an das Lesen eines etwas trivialen Kriminalromans
erinnert fühlt.
Einen
nicht unwesentlichen Anteil zum enormen Erfolg des Filmes tragen auch das Dekor
und die lokale Begrenzung der Handlung bei. Ozon beschränkt den Handlungsradius
seiner Figuren allein auf das Haus der Großmutter und selbst hier finden
fast alle Szenen nur in der Wohnhalle im Erdgeschoss statt. Das führt zu
einer enormen Konzentration des Zuschauers auf die auftretenden Personen und
ihre Umgebung. Selten hat man das Vergnügen, so ausgiebig und unabgelenkt
sein Augenmerk auf darstellerische Leistungen und die Ausstattung zu legen,
welche Ozon in warmen, zuweilen gar leicht kitschigen Farben anlegt. Geschickt
richtig er alles – Dekor, Kamera, Regie, Musik – auf sein genreparodistisches
Ziel und die Inszenierung seiner acht atemberaubenden Darstellerinnen aus. Eine
inszenatorische Meisterleistung, die einen einhundertprozentig weiblichen Film,
dessen intrigant-zickigen, mörderischen und singenden Frauen niemand niemals
auch nur annähernd böse sein könnte, zu einem bonbonartigen Hochgenuss
werden lässt. Einer der besten Filme des Jahres!
Janis
El-Bira
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
Zu diesem Film gibts im archiv der filmzentrale mehrere Texte
8
Frauen
(8
Femmes, 2002)
Regie:
François Ozon
Premiere:
08. Januar 2002 (Frankreich)
Drehbuch:
François Ozon & Marina de Van
Dt.
Start: 11. Juli 2002
Land:
Frankreich
Länge:
111 min
Darsteller:
Catherine
Deneuve (Gaby), Isabelle Huppert (Augustine), Emmanuelle Béart (Louise),
Fanny Ardant (Pierrette), Virginie Ledoyen (Suzon), Ludivine Sagnier (Catherine),
Firmine Richard (Madame Chanel), Dominique Lamure (Ehemann Marcel), Danielle
Darrieux (Mamy)
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