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8 Frauen

 

Es gibt eine klare Linie, die von Ozons vorletztem Film Tropfen auf heiße Steine, einem der Publikumslieblinge des Berlinale-Wettbewerbs von 2000, zu seinen 8 Frauen führt. Hier wie da hat er eine dramatische Vorlage streng theatralisch umgesetzt. Und hier wie da wird die Spielhandlung von Musikeinlagen unterbrochen. Genauer gesagt: Tropfen auf heiße Steine hatte eine einzige Tanzeinlage, die geradezu als komischer Schock ins ernste Drama um Begehren und Hass einbrach. In 8 Femmes dagegen gehen dramatische Handlung und Musik beinahe nahtlos ineinander über. Das Theaterstück von Robert Thomas, bei dem sich das Drehbuch – recht frei, wie der Vorspann erklärt – bedient hat, ist ungleich leichtfüßiger als Fassbinder, lotet die Untiefen menschlicher Beziehungen nicht aus, sondern führt sie als boulevardeske Komödie vor.

Der Boulevard mit Gesang hat im französischen Film mittlerweile eine kleine Tradition: von Rivettes hinreißendem Haut Bas Fragile bis zu Resnais On Connait La Chanson. Genau hier reiht sich Ozon ein, in der Künstlichkeit seiner Inszenierung schließt er am dichtesten aber an (gleichfalls) Resnais Ayckbourn-Variationen Smoking/No Smoking an. Ganz und gar Ozon jedoch ist die geradezu mathematische Genauigkeit und Klarheit der Komposition, der einzelnen Bilder ebenso wie der Gesamtanlage. Jeder der acht Frauen, die in einem einsamen Haus im Schnee eingeschlossen sind und sich gegenseitig verdächtigen müssen, den Herrn des Hauses getötet zu haben, ist eine Farbe (im Vorspann sogar eine Blume) zugeordnet – abgezirkelt werden sie im Raum, der eine Bühne ist, verteilt.

 

Unterschiedliche optische Motive lösen sich ab, während im Hintergrund immer wieder Hitchcockfilm-artige Musik läuft. Gesichter werden zu Vignetten im Fenster zusammengeführt, einmal füllt die Kamera die Leindwand reihum mit den Gesichtern der weiblichen Stars, mit deren Image auf einer stets präsenten Sekundär-Ebene gespielt wird. Der Plot selbst, das Krimi-Rätsel, das natürlich eine ungemein überraschende Auflösung erfährt, tut kaum etwas zur Sache. Was Ozon viel mehr interessiert haben dürfte: die schrittweise Auflösung im Chaos, die Aufdeckung der abgründiger und abgründiger werdenden Wahrheiten hinter dem Schein des Wohlsituierten. Um nur einen Eindruck zu geben: Am Ende liegen Catherine Deneuve und Fanny Ardant knutschend am Boden.

 

Keine Frage: Ozon hat das als Farce inszeniert, keines der Motive, die er durchspielt, hat auch nur ein bisschen Blei an den Füßen. Gefragt ist nicht das Interesse an den Figuren, an etwaiger Psychologie. 8 Femmes ist ein Film vom Reißbrett, aber mit voller Absicht, ein Film, der mit mathematischer Präzision Komödie spielt. Nichts anderes will er sein, ein bei näherer Betrachtung beinahe zerebrales Vergnügen, das die billigen Lacher nicht scheut.

 

Ekkehard Knörer

 

Dieser Text ist zuerst erschienen bei: Jump Cut

Zu diesem Film gibts im archiv der filmzentrale mehrere Texte

 

8 Frauen 

(8 Femmes, 2002)

Regie: François Ozon 

Premiere: 08. Januar 2002 (Frankreich) 

Drehbuch: François Ozon & Marina de Van 

Dt. Start: 11. Juli 2002 

Land: Frankreich 

Länge: 111 min 

Darsteller:

Catherine Deneuve (Gaby), Isabelle Huppert (Augustine), Emmanuelle Béart (Louise), Fanny Ardant (Pierrette), Virginie Ledoyen (Suzon), Ludivine Sagnier (Catherine), Firmine Richard (Madame Chanel), Dominique Lamure (Ehemann Marcel), Danielle Darrieux (Mamy) 

 

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