Die
7 Goldenen Vampire
"The
legend is true – every word of it!"
Im
Jahr 1974 steckten die britischen Hammer Studios bereits knietief in der Krise.
Das Publikum war über die Jahren hinweg der immer wiederkehrenden Variationen
klassischer Universal-Stoffe müde geworden. Aus den USA kam längst
schon eine neue Welle an härteren, zeigefreudigeren, vor allem aber authentischeren
Horrorfilmen – die früheren Splatterfilme -, mit denen ein Frankenstein
oder Dracula schon lange nicht mehr mithalten konnte. Und aus Hongkong machten
sich die zunehmend an Popularität gewinnenden Eastern mit ihrem neuen,
dynamischen Entwurf eines Kinos der in Szene gesetzten Körper auf, die
heißumkämpften Kinosäle in Beschlag zu nehmen. Solche Zeiten
der Auflösung sind es, die – wirtschaftlich, sozial wie eben auch kulturell
und somit auch filmhistorisch – neue Wege gangbar machen, Fusionen und Verdichtungen
anstreben. Etwas Neues musste also her, etwas, das verschiedenste Interessengruppen
des gesamten Publikumspektrums ansprechen würde, an diese knallig verkauft
werden und sie somit gemeinsam in den Lichtspielhäusern versammeln könnte,
unter Berücksichtigung einer möglichst kostengünstigen Produktion,
versteht sich. Das Resultat: LEGEND OF THE SEVEN GOLDEN VAMPIRES, eine Co-Produktion
mit den auf Genrefilme kaprizierten Shaw Brothers aus Hongkong, dort auch zur
Gänze "on location" gedreht.
Für
Hammer-Puristen gewiss ein Graus, entpuppt sich dieser Film jedoch – bei allem
Bedauern für das Studio, das einen im direkten Vergleich mit einem der
gediegenen Gruselfilme der frühen Sechzigerjahre befallen mag – als quirlige
Trash-Granate mit hohem Unterhaltungswert. Professor Van Helsing (Peter Cushing),
Experte für das Okkulte, verschlägt es für eine Vorlesungsreihe
ins ferne China, wo ihm die jungen Studenten – trotz aller Beschwörungen,
dass er wisse, wovon er spreche – nur mit Spott und Unglauben begegnen. Allein
der junge Hsi Ching (David Chiang) schenkt dem Briten Glauben. Mit gutem Grund:
In einer ruhigen Minute bittet Ching Van Helsing um Hilfe, kommt er doch aus
einem Dorf in der chinesischen Provinz, das seit Jahrzehnten von einer Heerschar
an Vampiren heimgesucht wird. Vor einem Jahrhundert hatte der Urgroßvater
des Studenten den Mut besessen, den blutigen Ritualen der sieben Vampire – aus
dem Dorf entführte, junge Mädchen werden gefoltert und blutig geopfert
– entgegen zu treten. Einer der Blutsauger konnte dabei vernichtet, das goldene,
fledermausförmige Medaillon – jeder der Vampire trägt ein solches
– entwendet werden. Seitdem halten die verbliebenen Vampire begierig Ausschau
nach dem Verbleib des Ornaments, liegt darin doch deren Macht begründet.
Sollten sie es in die Finger kriegen, so könnten sie ihren alten Gefährten
wiederbeleben und zu alter Macht zurückzufinden. Van Helsing sagt dem jungen
Studenten seine Hilfe zu und so macht man sich, mit einigen anderen Engländern,
auf den langen, gefährlichen Weg in die entlegene Provinz. Doch Van Helsing
ahnt noch nicht, dass sein alter Gegenspieler, Graf Dracula (John Forbes-Robertson),
ebenfalls den langen Weg von den Karpaten nach China angetreten ist …
Was
soll man sagen? Freunde gediegener Filmkunst wird man mit diesem Film sicherlich
jagen können, alle anderen, die gerne noch auf filmische Entdeckungsreise
gehen und ein Herz für unbekümmertes und wildes Genrekino vergangener
Tage haben, sind indes herzlich eingeladen. LEGEND ist eine kleine Wundertüte
mit herrlich naivem, oftmals hemmungslos unbekümmert abwegigem Krimskrams
drin: Peter Cushing inmitten von schwertschwingenden Kung-Fu-Vampiren, allesamt
mit goldenen Masken und – so richtig inkompatibel zu dem in unseren Breiten
herrschenden Vampirbild – wilder Haarpracht und modriger Hauttextur versehen,
das ist ein Bild für die Götter. Wie überhaupt das Spektakel
äußerst liebevoll und farbenfroh in Szene gesetzt wurde: Die Höllen
und Gemäuer sind stimmungsvoll modelliert, die darin Agierenden werden
knallebunt angestrahlt, was für Geisterbahnflair sorgt und eher schon der
italienischen Tradition des Gruselfilms verpflichtet scheint. Besonders die
Szene gleich zu Beginn – ein Hohepriester aus China sucht Graf Dracula (interessanter-
wie wenig nachvollziehbarerweise in dieser Inkarnation fast schon tuntiger geschminkt
als Tim Curry in seiner Rolle des Frank N. Furter in der ROCKY
HORROR PICTURE SHOW
(GB 1975) ) in seinem Schloss auf, um ihn zu einem finstren Pakt zu bewegen
– ist dergestalt in schönstem Scope eingefangen. Auch die Szenen, in denen
die Vampire ihre Armee an Untoten aus den Gräbern auferstehen lassen, gehören
zu den großartigen Momenten dieser kleinen Perle von einem B-Movie: Wunderschön
sind die skelettierten Wesen anzusehen, wie sie sich aus dem Boden graben oder
auf Pferden durch die Nacht reiten, allesamt eher an die fernöstliche Bildtradition
der Untotendarstellung angelehnt, die eher mit offensichtlichen Masken zu arbeiten
bereit ist als die westliche. Und entgegen des Zombies im westlichen Gruselfilm
sind die hier dargebotenen lebenden Toten auch noch äußerst agil:
Mit Klingen bewehrt scheuen sie kein Gefecht, auch den Martial Arts gegenüber
sind sie aufgeschlossen. Und natürlich ist ein Vampir in China etwas anderes
als ein Vampir in Mitteleuropa: Kreuze helfen hier nicht viel, nein, eine kleine
Buddhastatue schreckt die Kreaturen ab – man muss sich den Gegebenheiten schließlich
anpassen!
Die
Spielhandlung ist gewiss naiv und voller Insuffizienzien, keine Frage. Doch
das tut dem munteren Treiben keinen Abbruch. Warum Van Helsing so wichtig für
diese Expedition ist, bleibt unklar – Cushing steht dem Treiben eigentlich immer
nur unbeteiligt gegenüber, gibt ab und an kluge Anweisungen – "Stoßt
in ihr Herz!" – und schafft es an einer Stelle sogar mal selbst, im munteren
Handgemenge einen Kung-Fu-Vampir zu richten. Letzten Endes bleibt er aber doch
nur Schauwert für ein Publikum, das an Cushing in einem Horrorfilm eben
gewöhnt ist. Auch erscheint die Handlung im wesentlichen selbstzweckhaft
und unmotiviert: Warum man nun kurz nach Aufbruch der Expedition von einer Horde
Schurken auf offenem Feld überfallen wird, bleibt unklar, sorgt aber immerhin
für ein paar knallige körperliche Auseinandersetzungen. Warum die
Vampire jungen Damen während der Attacken gerne die Bluse runterreißen,
hat wohl auch eher mit visuellen Qualitäten zu tun als mit narrativer Dringlichkeit
– hier findet sich, für den Laien vielleicht nicht gleich ersichtlich,
das Echo einer eigenen Hongkong-Filmtradition: Das naiv-sadistischen Torture-Movie
für das Chor Yuens Meisterwerk INTIMATE CONFESSIONS OF A CHINESE COURTESAN
(HK 1972), auf der diesjährigen Berlinale im Rahmen einer Retrospektive
zu sehen, emblematisch steht. Gipfel dieses offen vor sich hergetragenen Exploitation-Habitus
ist der Moment, als sich Vanessa Buren (Julie Ege) selbst, vor Hitze stöhnend,
die Bluse auszieht: Dramaturgisch wie narrativ natürlich vollkommen sinnlos,
allein die vage Ahnung von Brustkonturen unter einem britischen Korsett rechtfertigt
diese Szene. Symptom und Ausdruck einer ganz eigenen Welt des Filmverständnisses.
Diese
Schwächen sollten einen nicht beirren. LEGEND OF THE SEVEN GOLDEN VAMPIRES
hat mit heutigen Werten und Verständnissen der Filmwelt und wie sie sich
organisiert nur wenig gemein: Noch war es George Lucas mit STAR
WARS
(USA 1977) nicht gelungen, knalliges Exploitation-Genrekino in die großen
Säle zu katapultieren, damit den Typus des Blockbuster-Konzepts zu entwickeln
und der Filmlandschaft nachhaltig ein anderes Gepräge zu verpassen. LEGEND
ist in seiner Mixtur und der Unbekümmertheit, mit der er Plausibilität
und Diegese filminternen wie – externen ökonomischen Fragestellungen unterordnet,
gewissermaßen ein Urahne davon, ohne freilich über vergleichbares
technisches Know-How und Budget zu verfügen. Das hindert ihn nicht daran,
für 90 Minuten vorzüglichste Unterhaltung zu garantieren. Sofern man
ein Herz für charmanten Trash hat, versteht sich.
Thomas
Groh, 2003
Dieser
Text ist zuerst erschienen bei ciao.de
Die
7 Goldenen Vampire
(The
Legend of the 7 Golden Vampires, GB/HK 1972)
Regie:
Roy Ward Baker, Chang Cheh
Drehbuch:
Don Houghton
Schnitt:
Chris Barnes
Kamera:
Roy Ford, John Wilcox
Musik:
James Bernard
Darsteller:
Peter Cushing, David Chiang, Julie Ege, Robin Stewart, Szu Shih, John Forbes-Robertson,
Robert Hanna, u.a.
Internet
Moviedatabase
http://us.imdb.com/title/tt0070297/combined
Webportal
zu den Hammer Studios
http://www.hammerfilms.com
Website
über die Shaw Studios
http://www.shawstudios.com/