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Die
39 Stufen
Erst
Stolpersteine, dann Belohnung
Armer
Richard Hannay (Robert Donat)! Es
sind einfach zu viele Menschen in der Londoner Music Hall, die den Gedächtniskünstler
Mr. Memory (Wylie Watson) testen wollen. Der antwortet sofern er eine Frage
überhaupt
versteht, als Dutzende von Leuten ihm ihre Fragen entgegen schleudern präzise,
ja penibel. Der Kanadier Hannay schreit, was das Zeug hält, und endlich
antwortet Mr. Memory, wie viele Kilometer zwischen zwei kanadischen Städten
liegen. Der Tumult in der Halle wird größer. Etliche Leute scheinen
auf Krawall gebürstet. Und dann fallen auch noch zwei Schüsse. Chaos,
Panik. Und Hannay findet sich vor der Music Hall wieder neben ihm eine hübsche
Lady, die sich Annabella Smith (Lucie Mannheim) nennt und als Agentin ausgibt,
die geschossen habe, um zwei Verfolger los zu werden, die der britischen Krone
schaden wollten. Einem Geheimnisverrat sei sie auf der Spur.
Ach
was! Hannay glaubt ihr kein Wort, aber er nimmt sie mit, die schöne Lady,
die offenbar weiß, was sie will. Und tatsächlich wird Hannays Wohnung,
die der Kanadier für einige Wochen gemietet hat, von zwei Männern
beobachtet, und tatsächlich wird die Dame mit dem falschen Namen in seiner
Wohnung erstochen. Hannay entkommt den beiden Gestalten in der Verkleidung seines
Milchmanns, dem er irgendeine Geschichte über Eifersucht etc. pp. erzählt.
Und nun geht es Schlag auf Schlag.
Schlag
auf Schlag so hätte Hitchcocks The 39 Steps auch heißen können.
Denn Hitchcock lässt sich (jedenfalls für damalige Verhältnisse
im Kino) keine Zeit, um von Szene zu Szene zu eilen. Die Flucht des armen Kanadiers,
der nicht weiß, wie ihm geschieht, bestimmt das Tempo des Films. Oder
umgekehrt? Jedenfalls taucht Hannay erst einmal im Zug nach Schottland unter,
denn dort allein, glaubt er, kann er das Geheimnis um die ermordete Mrs. Smith
lüften, bei der er eine Karte gefunden hat, auf der der schottische Flecken
Alt-na Shellach eingekreist ist. Außerdem hörte er von Mrs. Smith
den Namen Prof. Jordan. Und sie erzählte von einem Mann mit einem Finger,
dem zwei Glieder fehlen, vor dem sich Hannay in Acht nehmen solle.
Und
wie so oft in Hitchcocks späteren Filmen stehen wir, das Publikum, auf
Seiten eines unschuldigen Helden, der zu Unrecht verdächtigt wird, einen
Mord begangen zu haben. Hannay geht es da fast wie Cary Grant in North by Northwest:
Die Polizei und die Halunken nehmen ihn in die Zange, und er selbst hat keine
Ahnung, was ihm geschieht.
Und
Hannay? Der wirkt zwar manchmal verzweifelt, aber das täuscht. Hannay lässt
sich durch nichts daran hindern, der Wahrheit auf die Schliche zu kommen. Und
er trifft auf drei schöne Frauen. Die eine ist leider schon tot, die zweite,
die er, um nicht erkannt zu werden, geküsst hat, verrät ihn im Zug
an die Polizei, die ihm durch die Gänge gefolgt ist. Pamela (Madeleine
Carroll) denkt gar nicht daran, einen Mörder zu decken, der auch noch die
Unverschämtheit besessen hat, sie zu küssen.
Die
dritte, die junge, ebenso hübsche Frau Margaret (Peggy Ashcroft), Gattin
eines mürrischen, wesentlich älteren Pächters namens John (John
Laurie) im schottischen Hochland (Hannay ist der Polizei durch einen Sprung
aus dem Zug entkommen) erkennt Hannay beim Essen zu Dritt in der Zeitung. Und
als er ihr hilfesuchend einen bittenden Blick zuwirft, denkt ihr Mann natürlich
sonst was. So verhilft Margaret Hannay zur Flucht, als die Polizei bei dem einsam
gelegenen Cottage ankommt, und streift ihm noch den dunklen Mantel ihres Mannes
über nicht ohne ihm wehmütig und sehnsüchtig hinterher zu schauen.
Noch
hat sich Hannay seine Sporen, sprich eine Frau an seiner Seite nicht verdient.
Zunächst muss er sich mit den Bösewichtern, die irgendwelche Informationen
aus dem Luftfahrtministerium an eine ausländische Macht verschachern wollen,
auseinander setzen und gerät wechselweise in deren Gewalt und die der Polizei,
die bei Hitchcock mal wieder nicht besonders gut wegkommt und die Hannay natürlich
kein Wort glaubt.
Doch
Besserung der Verhältnisse kündigt sich an, als er mit Handschellen
gefesselt ausgerechnet an den Arm jener Dame, die ihn im Zug verraten hat
mit Pamela notgedrungen eine Nacht in einem kleinen Gasthaus verbringen muss.
Hier zieht Hitchcock alle Register seines britischen Humors. Die Zwangslage
Polizei, Gangster, Pamela nimmt Hannay mit einer ordentlichen Portion Sarkasmus.
Die
Lösung des Falls allerdings liegt noch weit weg: in London.
Wie
ein klassisches Märchen, allerdings ohne übernatürliche Gestalten,
durchstreift Hannay, der unschuldige Kerl, die Geschichte wie ein Hans im Glück,
der auf dem Weg zum Glück einige Stolpersteine überwinden muss, bis
er Pamela zum Traualter führen kann (sogar eine Wahlrede muss er halten,
weil man ihn fälschlicherweise für einen gewissen Captain Fraser hält).
Die erste Frau ist tot, verschafft ihm aber die Zauberformeln, um sich zu
retten, die zweite ist verheiratet, verhilft ihm aber zur Flucht und rettet
ihn (weil ein dickes Gebetbuch in dem Mantel steckt, den sie ihm umlegt) vor
dem Tod, als er von dem Oberbösewicht beschossen wird, und die dritte ist
eine Verräterin, die sich dann aber eines besseren belehren lässt.
Und die Hartnäckigkeit Hannays tut ein übriges, um Pamela zu gewinnen,
der wahrscheinlich um die halbe Welt geflohen wäre, um seine Unschuld zu
beweisen und um Pamela zu bekommen.
The
39 Steps kündigt einige andere Hitchcock-Filme an. Das Motiv des unschuldig
Verfolgten taucht wieder auf in Der unsichtbare Dritte, und vorher schon in
Ich beichte, Der
falsche Mann,
und natürlich auch in Über den Dächern von Nizza. Bestechend
an diesem Film ist die für damalige Verhältnisse rasante Inszenierung.
In nur gut 80 Minuten lässt Hitchcock seinen Helden durch halb England
respektive Schottland flüchten mit nur wenigen Ruhepausen.
DVD
Sprachen:
Deutsch (Dolby Digital 2.0), Englisch (Mono)
Bildformat:
4:3
Dolby,
Surround Sound, PAL
DVD
Erscheinungstermin: 2. Oktober 2002
Im
Unterschied zu vielen anderen DVDs mit Filmen von Hitchcock enthält diese
von Eurovideo herausgegebene DVD leider überhaupt kein Zusatzmaterial.
Entschädigt wird man dafür durch die mehr als akzeptable Bild- und
Tonqualität.
Amazon
verkauft die Scheibe derzeit für 13,99, bei jpc erhält man sie für
angemessenere 9,99 (Stand: 12.3.2005).
Wertung
Film: 10 von 10 Punkten.
Wertung
DVD: 7 von 10 Punkten.
Ulrich
Behrens
Dieser
Text ist zuerst erschienen bei:
Die
39 Stufen
(The
39 Steps)
Großbritannien
1935, 86 Minuten (DVD: 82 Minuten)
Regie:
Alfred Hitchcock
Drehbuch:
Charles Bennett, nach dem Roman von John Buchan
Musik:
Hubert Bath, Jack Beaver
Kamera:
Bernard Knowles
Montage:
Derek N. Twist
Produktionsdesign:
Albert Jullion, Oscar Friedrich Werndorff
Darsteller:
Robert Donat (Richard Hannay), Madeleine Carroll (Pamela), Lucie Mannheim (Annabella
Smith), Godfrey Tearle (Prof. Jordan), Peggy Ashcroft (Margaret), John Laurie
(John), Helen Haye (Louisa Jordan), Frank Cellier (Sheriff Watson), Wylie Watson
(Mr. Memory), Gus McNaughton, Jerry Verno (reisende Geschäftsleute im Zug)
Internet
Movie Database: http://german.imdb.com/title/tt0026029
©
Ulrich Behrens 2005
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