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»38«
1938
in Wien. Es ist das Jahr des Anschlusses an das Dritte Reich. Im Theater an
der Josefstadt machen sich die Nazis breit. Dadurch fällt ein Schatten
auf die Liebesbeziehung zwischen der Schauspielerin Carola und dem Journalisten
Martin. Die Juden sinnen auf Flucht. Noch einmal hören sie eine Rede des
Bundeskanzlers im Radio, dann reist Carola, ein Kind unter dem Herzen, mit der
Dampfeisenbahn ab. Nach Prag. Martin bleibt zurück, um einer anderen das
Herz auszuschütten: „Gnädige Frau, Sie dürfen mich jetzt nicht
unterbrechen, ich bin auch so nervös wie Sie". Doch auch er reist
ab nach Prag. Mit dem Taxi.
Regisseur
Wolfgang Glück (DER SCHÜLER GERBER) verfilmte das Buch „Auch das war
Wien" von Torberg, womit für eine nichtendenwollende Flut von Dialogen
auf Basic German gesorgt ist. Auch ist nicht daran gespart worden, immer wieder
neue propere Kostüme vorzuführen. Eine nostalgische Modenschau von
A bis Z. Und auf den Höhepunkten des ach so dramatischen Geschehens dampft
die Museumslok durch die malerische Herbstlandschaft. Einmal und noch einmal,
bis man die Strecke kennt. Doch dann gehts gleich zurück ins Kammerspiel,
das heißt auf die Köpfe des Liebespaares, die abwechselnd einen Torbergsatz
nach dem anderen aufsagen. Da die Schauspieler nur sehr begrenzt über Ausdrucksmöglichkeiten
verfügen, schaut man besser nicht hin. Aber das ist auch nicht nötig,
da
die
Filmdramaturgie sich eh in Hörspieltechnik erschöpft. »38«
ist eine Schulfunksendung.
„Lesen
Sie die Basler, da steht drin, was wir nicht schreiben dürfen." So
war es damals, zu Kostümfilmzeiten. – Aber wie schön wäre es,
wenn man einen anderen Film sehen könnte, in dem drin ist, was der Film
»38« nicht sagt. Warum nicht eine Aussage dazu, daß auch die
ehemalige Nazi-Ostmark ihre Vergangenheit bewältigen sollte? Und daß
dazu ein Anlaß besteht? Ich meine natürlich nicht, daß der
Film auf Waldheim zu sprechen kommen müßte und auf seine sehr zahlreichen
Sympathisanten. Es ist jedoch eine politische, redaktionelle und zumindest Schulfunkkatastrophe,
daß der Film »38«, der vorgibt, das Wien von 1938 zu zeigen,
die historischen Fakten auf ein paar Dialogsätze reduziert und im übrigen
durchs Bild dementiert. Denn zu sehen sind propere, ein wenig steife Bilder,
die ein geheimes, nostalgisches Einverständnis mit dem Österreich
von 1938 suggerieren. Waren die Leute toll angezogen! Was für Uniformen
hatten die Braunen damals! Der Kostümbackground macht den Anschluß
von Österreich zu einem beliebig austauschbaren Abenteuerplatz für
eine xbeliebige Love Story. Es ist, als ob die Kamera nicht richtig hinsehen
wollte. Stets bleibt sie an der Oberfläche stehen. Vandenberg lieferte
leere und sterile Bilder ab, als ob nichts mehr zu sagen wäre. Der Erfolg:
»38« wurde als bester Auslandsfilm für den Oscar nominiert.
Was wiederum heißt, daß die Gelder der österreichischen und
der bayerischen Filmförderung ihren staatspolitisch wertvollen, nämlich
repräsentativen Zweck erfüllen. Der Bayerische Rundfunk und das Österreichische
Fernsehen, Produktionsbeteiligte, werden den Film ausstrahlen. Also: wenn das
Signal »38« erscheint, sofort abschalten. Entweder durch Druck auf
den Knopf oder durch Eliminierung, der Vorstellung, daß das Jahr 1938
für Osterreich irgendeine Bedeutung hat.
Dietrich
Kuhlbrodt
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: epd Film 6 / 87
»38«
Österreich
1986. Rund B: Wolfgang Glück, nach dem Roman „Auch das war Wien" von
Friedrich Torberg. K.- Gerard Vandenberg. Sch: Heidi Handorf. M.- Bert Grund.
A:
Herwig Libowitzky. Ko:
Birgit Hutter. Pg. Satel-Film/Almaro-Film. Gl.-
Michael Wolkenstein. 0: Filmverlag der Autoren. L: 97 Min. FSK: 12, ffr. St:
11.6.1987. D: Tobias Engel (Martin), Sunnyi Melles (Carola), Heinz Trixner (Toni),
Lotte Ledl (Mutter), Romuald Pekny (Sovary), David Cameron (Oberst), Josef Fröhlich
(Kemetter), Maria Singer (Frau Pekarek).
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