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300

Im Stahlbad des Fun

 

Jungsfantasie reichlich fantasieloser Jungs: Zack Snyder bringt den Comic "300" erneut nur in grafische Bewegung

 

Dieser Film beruht auf historischen Tatsachen, besser, er ist der gleichnamigen Comicvorlage von Frank Miller und Lynn Varley einigermaßen treu. Historisch zugrunde liegt die Schlacht am Engpass der Thermopylen im Jahr 480 v. Chr., in der ein recht kleines Häufchen Griechen – davon 300 Spartaner – einem sehr viel größeren Haufen Perser anhaltenden, freilich zuletzt vergeblichen Widerstand leisteten. Die Stills der Comic-Erzählung der Schlacht in Bewegung zu setzen, unternimmt nun der mit seinem leichtfüßigen George-Romero-Remake "Dawn of the Dead" durchaus angenehm aufgefallene Regisseur Zack Snyder.

 

Bewegt im Sinne von "motion picture" sind die Bilder des Films freilich nur bedingt. Gedreht wurden fast sämtliche Szenen vor dem leeren Hintergrund der Bluebox; in höchst aufwändiger digitaler Nachbearbeitung haben Special-Effects-Teams dann vereinzelte Kampfdarstellungen zu kolossalen Schlachtgemälden mit Körpergetümmel vor pseudogriechischen Fantasiehintergründen aufgemotzt. Und auch mit den Bewegungsbildern selbst geht Snyder, dessen primäres Interesse der Computerchoreografie der Kampfszenen gilt, sehr freihändig um: Er verlangsamt und beschleunigt sie wie ein VJ am Mischpult, lässt Blutspritzer wie fliegende Tusche grafisch verschmieren und Körper im mal forcierten, mal gebremsten Anprall rasen und erstarren. Auf die in der Vorlage noch zu bewundernde Nacktheit der heroisch kämpfenden Spartaner hat er der Altersfreigabe wegen verzichtet, dafür schlängeln sich nun kaum verschleierte Frauenkörper im Softpornoambiente. "300" ist nicht nur in dieser Hinsicht eine Jungsfantasie leider reichlich fantasieloser Jungs.

 

Auf die ermüdend lange Strecke seiner zwei Stunden entwickelt sich das Sandalen-Kriegsgemälde dann zu einer so unappetitlichen wie fast schon wieder originellen Mischung aus faschistischer Bildästhetik und bewusstem Camp. Genauer gesagt: Es mischt sich gerade nichts. Durch kein bindendes Band aus Sinn oder Verstand vereint stehen der wie in der Zahnpastawerbung kraftvoll in einen Apfel beißende Feldherr Leonidas (Gerard Butler) und die mit ironiefrei volltönender Heroenrhetorik über Leichenberge spazierende spartanische Kampfsporttruppe nebeneinander. In durch kein nachvollziehbares Konzept verbundener Tateinheit von Augenzwinkern und blutigem Ernst schreiten die stählernen spartanischen Hopliten zum Gemetzel gegen das vom riesigen gepiercten schwarzen schwulen Perserkönig Xerxes (Rodrigo Santoro) gen Engpass geführte persische Heer. In den USA feiert die dabei entstandene, dumpf dröhnende und fatal frivole Schlachteplatte gerade Kassentriumphe. Die gängige Fanboy-Rezeption nimmt blutrot-bräunlichen Camp wie "300" einfach als großen Spaß. In Wahrheit handelt es sich dabei um die so unfreiwillige wie aufwändige Verfilmung eines wahren Adorno-Worts: Fun ist ein Stahlbad.

 

Ekkehard Knörer

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in der taz

Zu diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Texte

 

300

USA 2007 – Regie: Zack Snyder – Darsteller: Gerard Butler, Lena Headey, David Wenham, Vincent Regan, Dominic West, Michael Fassbender, Rodrigo Santoro, Andrew Tiernan, Andrew Pleavin, Tim Connolly – FSK: ab 16 – Länge: 116 min. – Start: 5.4.2007

 

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