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2 Tage Paris
Die
Stadtneurotikerin
2 Tage Paris – das klingt zunächst
nach Butterfahrt für den unausgeschlafenen Bustouristen, nach Französisch
für Anfänger, Sightseeing im Minutentakt, die romantischste Stadt
der Welt als Fast-Food-Attraktion. Erst kürzlich wurden die Arrondissements
der Metropole in "Paris, je t’aime" bereits cineastisch abgefeiert
– mit bekannt gemischtem Resultat. Julie Delpys Erstling begibt sich allerdings
nicht in Konkurrenz zu jenem Omnibusfilm, die Stadt ist hier auch vielerorts
nur Staffage – "2 Tage Paris" ist vielmehr der sarkastische Bruder
der "Before Sunrise" / "Before Sunset"-Geschwister.
Kaum eine Rezension zu diesem
Film wird es sich nehmen lassen, Woody Allen als Referenz zu erwähnen –
die Parallelen sind zu offensichtlich, der hektische Wortwitz entspringt der
gleichen Quelle. So wenig wie "2 Tage Paris" eine vordergründige
Liebeserklärung an die Stadt sein will, so deutlich ist doch die Verwurzelung
von Julie Delpy und der von ihr verkörperten Marion – deren Unterscheidung
wie bei Allens Film-Alter egos eine zu Spekulationen Anlaß gebende Gratwanderung
ist – mit dieser Stadt, kurzum: Auch wenn die inszenatorische Grandezza ausbleibt
– man fühlt sich direkt an die weihevollen Anfangsminuten von Woody Allens
"Manhattan" erinnert. Paris ist ihre Stadt und würde es immer
bleiben.
Damit ist der Grundkonflikt von
"2 Tage Paris" gleich ausgebreitet, denn in Julies/Marions Schlepptau
befindet sich ihr amerikanischer Boyfriend Jack, den Adam Goldberg als genau
jenen kulturbanausigen Straight Shooter spielt, vor dem uns unser kulturbeflissener
alteuropäischer Anti-Amerikanismus seit George Dabbeljus Amtseinführung
gewarnt hat. Die Sorte Amerikaner also, die auch Woody Allen eher an der Westküste
vermutet, von den "red states" im Mittleren Westen wollen wir gar
nicht erst reden.
Einen solchen Ignoranten seinen
Eltern vorzustellen, kann selbst inneramerikanisch eine peinliche Nummer werden,
als atlantikübergreifender Kulturschock ist es eine todsicher urkomische
Begegnung. Wenngleich die Fettnäpfchen eher auf französischer Seite
ausgeschüttet werden – die Vermischung von Privatperson und Rolle wird
durch die Besetzung von Delpys Eltern als Marions Filmeltern geradezu potenziert
– ein tendenziöses Amerika-Bashing stünde dem Film auch nicht gut
zu Gesicht. Stattdessen sind die Neurosen der Protagonisten hübsch verteilt,
der Sex im ehemaligen Mädchenzimmer geht schon mal gar nicht, und Terrorparanoia
kennt der Franzose ebenso. Letztlich – vielleicht ist dies die Botschaft des
Films, der sich eigentlich einen Dreck um so etwas wie eine Botschaft schert
– liegen gar keine Welten zwischen der Alten und der Neuen, höchstens eine
Armada von Ex-Lovern, die plötzlich und ungefragt wieder ins Leben treten
und die fragilen Beziehungen empfindlich stören, aber das transatlantische
Bündnis ist allemal robuster als das neuerliche Werben von Jean-Luc. Oder
Marcel. Oder François.
Wenn Frankreich- und Amerikaklischees
so genüßlich ausgebreitet werden, darf der notorische Deutsche kaum
fehlen, und doch ist es mehr als befremdlich, wenn Daniel Brühl gegen Ende
kurz auftaucht, als ihn niemand mehr erwartet und ihn keiner braucht, als sei
er aus einer anderen Welt in diesen Film gefallen – glücklicherweise entschwindet
er alsbald wieder dorthin, bevor Julie ihr Happy End an der Seine zelebriert.
Soviel kalkulierte Romantic Comedy leistet sich "2 Tage Paris" dann doch,
selbst wenn er die meiste Zeit den Charme des Improvisierten, Unfertigen mit
sich trägt. Nicht minder Mademoiselle Delpys Premierenauftritt im Berliner
Zoo-Palast, der ebenso rührend derangiert daherkam wie ihre Filmfigur Marion
und einmal mehr die Frage aufwarf, ob sie in "2 Tage Paris" überhaupt
spiele oder letztlich einen Blick auf die wahre Julie Delpy erlaube. Oder ob
sie die Kunstfigur, die sie für diesen Film entwickelt hat, in die Realität
verlängerte, um die Illusion eines pseudo-authentischen Home Videos aufrechtzuerhalten.
Womit wir wieder bei Woody Allen wären, dessen Rollen zeitlebens mit seiner
Person verwechselt wurden. Doch egal, ob die Kunst das Leben imitiert oder das
Leben die Kunst, entscheidend ist, daß es inspiriert. Und sei es nur zu
einer federleichten, weitgehend geistreichen Komödie im Bedeutsamkeitswettbewerb
der Berlinale-Sektionen – und nicht nur dort – ist dies eine erfrischende Alternative.
Carsten Happe
Dieser Text ist zuerst erschienen im: schnitt
2 Tage Paris
Frankreich / Deutschland 2007 – Originaltitel: Two days – deux jours – Regie: Julie Delpy – Darsteller: Julie Delpy, Adam Goldberg, Daniel Brühl, Marie Pillet, Albert Delpy, Alexia Landeau, Adan Jodorowsky, Alex Nahon – FSK: ab 12 – Länge: 96 min. – Start: 17.5.2007
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