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2 Tage L.A.

 

 

 

 

 

So wie die Pizza ein Bier, der Kuchen den Kaffee fordert, so produzieren bestimmte geographische und historische Situationen auch bestimmte Arten des Erzählens. Das Melodram gehört in die Kleinstadt. Das Familienepos aufs Landgut. Die expandierenden amerikanischen Großstädte waren der Boden für die Gangstergeschichten, die konkurrierende Einzelkämpfer in den Macht- und Bandenkämpfen der Asphaltdschungel zu einem sozialen Mikrokosmos zusammenführten.

 

Das Dickicht der Städte sog die Menschen in ihre Schluchten. Eine zerfasernde, in Freeways zerfließende Stadt wie Los Angeles verstreut sie. In ihre Autos, in Einfamilienhäuser, in die gesellschaftliche Isolation. Bis sie irgendein Zufall vielleicht doch aufeinandertreffen läßt. Mit ein bißchen Glück kommen sie aus dieser unerwarteten Begegnung lebend wieder heraus. Vielleicht haben sie sich sogar verliebt.

 

2 TAGE L.A. ist eine richtige L.A.-Geschichte. Elf mehr oder weniger gleichberechtigte Hauptpersonen sind das Inventar dieses Films, Gute und Böse, arme Schweine und Schurken, Menschen, die nichts miteinander gemein haben als ihre Vereinzelung, ihre Ratlosigkeit und ihren Wohnort, das San-Fernando-Valley (2 DAYS IN THE VALLEY ist auch der Originaltitel). Ein Ort, mit Golfplatz und vietnamesischen Massage-Salons und Parkplätzen – eine Stadt ist weit und breit nicht in Sicht. Es gibt Wohnzimmer, in denen Ex-Väter Glückwunschkarten („your first daddy") samt Plastik-MG für den Kleinen auf dem Couchtisch zurücklassen. Sex? Nichts als Ausdruck von Machtinteressen. Um jemand kennenzulernen, stolpert man am besten vor ein Auto.

 

Keine Frage, an einem solchen Ort läßt sich der alltägliche Horror nur mit noch größerem Grauen oder einer heftigen Ladung giftigsten Humors vertreiben. 2 TAGE L.A. nimmt beide Wege zugleich. Ein anfänglicher, ziemlich ekliger Auftragsmord ist dabei, neben der Selbstmordabsicht eines gescheiterten Regisseurs (Paul Mazursky mit einer winzig kleinen Pistole), das die Handlung treibende Moment. Eine Geiselnahme folgt bald. Daß es im weiteren meist aberwitzige Zufälle sind, die die entscheidenden Wendungen des Plots einleiten, ist nur angemessen, zählt in der L.A.-Welt doch, wie wir sehen werden, Vernunft und Logik wenig, das Glück aber eine ganze Menge.

 

Schön übersichtlich und ganz genregemäß ist das Personal dabei in (variablen) Oppositionen organisiert: Der Killer mit Stoppuhr und der andere mit der Liebe zu Pasta und dem weichen Herz, das für die Unterdrückten schlägt. Der gute und der fiese, rassistische Bulle. Der arrogante Kunsthändler und seine ausgebeutete Privatsekretärin. Die Sportlerin und die (allerdings nicht minder fitte) blonde Barbie-Frau. Die einsame Krankenschwester und der selbstmordgefährdete Regisseur. Der Pitbull und das Hündchen. 2 TAGE L.A. läßt ihre Wege sukzessive kreuzen, mischt sie in einem verzwickten und auch spannenden Krimiplot durcheinander und sortiert irgendwann in einem grandiosen Shoot-out gnadenlos Gut von Böse. Erfreulich rabiat bezieht dieser Film Partei für die Zukurzgekommenen und Loser. Danny Aiello als alternder Killer mit Toupet und Hundeangst, Glenne Headley als mausige, sich nur widerwillig emanzipierende Sekretärin, Eric Stoltz als übereifriger Polizist, der doch eigentlich nur von der Sitte ins Morddezernat aufsteigen will, aber einfach alles falsch macht: Man kann diese Helden nur lieben.

 

Das alles ist meisterlich gemacht: So ökonomisch wird hier erzählt, so klug sind die Fäden gezogen, so präzise ist der Soundtrack getimed, so clever, auch witzig, ist geschnitten (mein Lieblingsschnitt ist der von einem im Vorspiel begriffenen Paar, nein, nicht auf die Wellen hinaus, sondern mitten in einen Topfvoll brodelnder Rigatoni), daß es eine Lust ist. Dabei wirkt alles gerade um den entscheidenden Tick überzeichnet, der parodistisch verfremdet, ohne doch den ästhetischen Reiz zu zerstören. Die Ausstattung zum Beispiel: die mit geschmäcklerischer Edel-Kunst vollgestopfte Villa des Galeristen, die uns mit immer neuen peinlichen Details erschreckt. Oder der mit gerade ein klein bißchen zu großen und ein klein bißchen zu vielen Zettelchen und Markierungen geschmückte Tatort. Schön!

 

Das Erstaunlichste an 2 TAGE L.A. dürfte wohl sein, daß mit John Herzberg ausgerechnet der Mann für Buch und Regie verantwortlich zeichnet, der gerade erst als Drehbuchautor eines unsäglichen Flugzeugkatastrophenfilms namens TURBOLENCE vorgeführt hat, wie ein Drehbuch nicht aussehen soll. Hatte der Mann da einfach nur einen schlechten Tag? Oder sind die Produktionszwänge in Hollywood wirklich dermaßen eng und verbogen, daß einer erst einen „unabhängigen" Film machen muß, um zu zeigen, daß er überhaupt was kann?

 

Silvia Hallensleben

 

Diese Kritik ist zuerst erschienen in: epd Film 6/97

 

 

2 Tage L.A.

TWO DAYS IN THE VALLEY

USA 1996. R und B: John Herzfeld. P: Jeff Wald, Herb Nanas. K: Oliver Wood. Sch: Jim Miller, Wayne Wahrman. M: Anthony Marinelli. T: Kinn H. Ornitz. A: Catherine Hardwicke, Kevin Constant. Ko: Betsy Heimann. Pg: MGM/Redemption. V: TiMe. L: 107 Min. St: 22.5.1997. D: Danny Aiello (Dosmo Pizzo), Greg Cruttwell (Allan Hopper), Jeff Daniels (Alvin Strayer), Teri Hatcher (Beeky Foxx), Glenne Headly (Susan Parish), Peter Horton (Roy Foxx), Marsha Mason (Audrey Hopper), Paul Mazursky (Teddy Peppers), James Spader (Lee Woods), Eric Stoltz (Wes Taylor).

 

 

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