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Planet
Terror
28
Weeks Later
Blut, Schlamm
und Barbecue
Neue Zombiefilme feiern die totale Paranoia. In
"Planet Terror" von Robert Rodriguez und "28 Weeks Later"
von Juan Carlos Fresnadillo wird der Irakkrieg zur Kino-Allegorie.
Außenpolitik wird im Kino traditionell über
Aliens abgehandelt, Zombies sind hingegen für die Bürgerkriegsszenarien
zuständig. Das gilt vor allem für den modernen Zombiefilm, wie ihn
George A. Romero Ende der sechziger Jahre begründet hat. Entweder wird
am Umgang mit Zombies das Handeln von faschistischen Regimes oder Militärs
unter den Bedingungen des Ausnahmezustands bildhaft thematisiert, oder die Zombies
selbst stellen allegorisch unangenehme Bevölkerungsteile dar: Konsumtrottel,
rassistische Rednecks und faschistische Hinterwäldler im linken, Junkies,
Kanalisationsbewohner, Obdachlose im rechten Zombiefilm.
Was sie aber alle verbindet, ist die Definition von
Ausnahmezuständen, in denen es erlaubt, ja geboten ist, Menschen und menschenähnliche
Lebensformen nicht nur in großen Mengen und mit großer Brutalität
zu töten – erschießen reicht oft nicht. Darüber hinaus werden
Charakterstärke und Mannesmut an die Fähigkeit gekoppelt, die Tötungshemmung
zu überwinden. Gute Zombiefilme zeigen eindrucksvoll, was eine Logik der
Feindschaft und des Ausnahmezustands aus den Leuten macht. Ihr Problem liegt
darin, dass sie für diese Perspektive zugleich werben. Der von Rotorblättern
geschredderte Spießerschädel und der sauber unterhalb der Nase durchtrennte
Kopf von Plappermäulchen sind ja auch ein nicht totzukriegender Spaß
für Jung und Alt.
Zurzeit kann man aber eine Zäsur beobachten,
die mit einer neuen Generation von Zombiefilmen einhergeht. Die neuen Zombies
sind keine mysteriösen Untoten mehr, die sich im Namen ausgerotteter Ureinwohner
oder traditioneller Lebensformen am Fortschritt rächen. Stattdessen sind
sie Opfer von Viren, Forschungslabors und der Pharmaindustrie. Sie werden, das
gilt vor allem für die beiden Filme, um die es hier gehen soll, von einer
Armee bekämpft, die mindestens so gemeingefährlich ist wie die hoch
ansteckenden, mörderischen Tollwütigen. Am liebsten würde sie
ihre eigene Bevölkerung präventiv umbringen. Und schließlich
ist das Modell der Auseinandersetzung nicht mehr das Bürgerkriegsszenario
aus alten Nationalstaaten, sondern der globale sogenannte Kampf gegen den Terror.
Bagdad und 9/11 liefern das Material.
Robert Rodriguez’ Planet
Terror war in den USA der düstere,
in Schlamm, Blut und Barbecue-Soße watende erste Teil des gemeinsam mit
Quentin Tarantino bespielten Grindhouse-Double-Features, dessen zweiter Teil,
Tarantinos Death
Proof, den heiteren Gegenpart
bildet. Dazwischen gab es Fake-Trailer, die dem deutschen Publikum entgehen.
Bei Rodriguez ist die Armee nicht nur Ursprung des Zombies produzierenden Bioterrors
und dieser ein direktes Ergebnis von Irakkrieg und Bin-Laden-Jagd. Sie ist auch
ein Haufen geiler Kotzbrocken-Karikaturen, die eine Willkürherrschaft in
einem sumpfigen Ausnahmezustand errichtet haben. Wie etwas gebremster schon
in From Dusk Till Dawn hat sich Rodriguez vorgenommen, alle schaurigen
Schauwerte des Schocks so weit zu überbieten, wie es eine Mainstream-Produktion
gerade noch zulässt. Doch zugleich wird die Horrorshow mit bekannter ironischer
Geste eingeklammert: Selbstverständlich will dies alles nichts als eine
auf die Gegenwart projizierte Farce aus Elementen des B- und C-Films der Fünfziger
bis Siebziger sein – mit gruselig glucksender Garküche und sinister beleuchtetem
Barbecue, schicken Miezen in düsterem Gelände und reichlich barem
Ekel wie den frisch beim Foltern erbeuteten Hoden in einem schmuddeligen Eimer.
Bei Tarantino werden die Bezugsfilme nicht einfach
zitiert, geplündert oder überboten, sondern geradezu didaktisch aufbereitet.
Die schicke Mieze etwa behält ihr genrespezifisches Äußeres
(oder eine Steigerung davon) und wird dann auch noch Person, was zu allerhand
interessanten Konflikten führt. In Rodriguez’ Planet
Terror werden die Einzelteile eher
unverbunden auf einem Spieß aufgereiht. Auch er hat den Ehrgeiz, es nicht
bei der puren Ironie zu belassen. Deren Überschreitung wird nicht aus den
aufgegriffenen Formen entwickelt, sondern indem der Film dann doch irgendwie
von der Gegenwart handelt. Nicht nur die eher en passant erwähnten Details
der »Terrorbekämpfung«, sondern auch das zerfurchte, sumpfige
und mit Drähten und Mauern überzogene Land sollen ganz unironisch
auf eine undurchsichtige und unkontrollierte Herrschaft irrer militärischer
Sachzwänge in der US-amerikanischen Gegenwart verweisen. Leider gelingt
es Rodriguez aber nicht, mit diesem Widerspruch umzugehen: Letztendlich siegt
die Heiterkeit der Rache. Etwa wenn die durch einen Zombiebiss beinamputierte
Cherry Darling (Rose McGowan) ihre Maschinengewehr-Prothese zugleich schwingt
wie ein schönes, entblößtes Bein und in derselben Bewegung einen
Haufen widerlicher Soldaten umpustet. Eine Groteske über eine von militärischer
Eigendynamik entfesselte Apokalypse und ein Schmunzel- und Schenkelklopfstück
für College-Boys gehen schwer zusammen.
Bei Rodriguez hört übrigens immer dann
der Spaß auf, wenn es um den Status lateinamerikanischer Einwanderer in
den USA geht. Da wird er plötzlich straight politisch, deutet aber auch
die Stärke an, die in so einem Wechsel der Tonart liegt. Auch die Produzenten
von 28 Weeks Later, der Fortsetzung des erzbritischen 28
Days Later wollten, wie sie etwas
übertrieben sagen, diesmal einen Regisseur aus einem »anderen Kulturkreis«.
Dass es der kaum eine Flugstunde von London entfernt lebende Spanier Juan Carlos
Fresnadillo werden sollte, ist trotzdem ein Glücksfall. Sein Bezug auf
globale Konflikte der Gegenwart ist weniger anekdotisch als strukturell. Zwar
heißt auch im Film die einzige Gegend, die vor dem Zombie-Virus sicher
sein soll »Grüne Zone«, ganz wie im richtigen Bagdad. Die eigentliche
Parallele ist aber die paranoide Struktur. Jeder, der ein Selbstmordattentäter
sein könnte, gehört vernichtet, bevor man ihn fragen kann – dann wäre
es nämlich zu spät.
Die Fortsetzung konzentriert sich auf London, den
Straßen-, Häuser-, und U-Bahn-Tunnel-Kampf und auf die Entfaltung
der militärischen Logik der totalen Prävention. Kein anderer als Idris
Elba, schönster Mann der Welt und dem HBO-Publikum als Stringer Bell aus
der Serie The Wire bekannt, kommandiert hier die Truppen, die je nach
Krise unterschiedlich farbige Codes ausprobieren, bis sie mit »Code Red«
auf alles schießen, was sich bewegt.
Auch 28
Weeks Later bedient sich bei bekannten
Bürgerkriegsfilmen, namentlich bei denen des frühen John Carpenter,
vor allem Anschlag
bei Nacht (1976) und Die Klapperschlange (1981): Wir begegnen einer computerspielartig übersichtlichen
Situation, Weglaufen und Sichverstecken an bekannten, aber plötzlich unvertrauten
Orten. Filmische Perspektiven, die die Bilder generieren (Hubschrauber, Nachtsichtgerät
et cetera), werden in den Ablauf einbezogen. In der entscheidenden Passage wechselt
der Film in die Wahrnehmung der Heldin, die durch ein Nachtsichtgerät schaut.
Als sie plötzlich angegriffen wird, sehen wir nicht den Abgriff selbst,
sondern erleben, wie der Film selbst zu stocken und stolpern beginnt.
So ergreift das Virus das Bildermachen selbst, und
das ist logisch; denn es geht nicht mehr um allegorisierte Kämpfe zwischen
Bevölkerungsteilen, Minderheiten und Klassen, sondern um den Kampf des
Prinzips der Sicherheit und der Kontrolle gegen alle, gegen jede Störung,
egal, von wem. Das durchdachte Durcheinander von Reißschwenks und greller
Überbeleuchtung ist hier kein Special Effect – das Leben selbst zerfällt
in spektakuläre Bilder im Ausnahmezustand. Ihre Unordnung, Drastik und
Untauglichkeit zur Orientierung ist buchstäblich das Problem der Protagonisten.
Überblick heißt Rettung, nämlich Flucht im Hubschrauber.
So entsteht ein tendenziell totales Kino, das den
»Krieg gegen den Terror« zu einem bioterroristischen Weltkrieg verlängert.
Dieses Kino ist so beeindruckend wie in letzter Instanz auch distanzlos gegenüber
dem paranoiden Kern der aus dem Ruder geratenen Prävention. Immerhin, bei
Rodriguez vergessen wir keine Sekunde, dass wir im Kino sitzen – bis zu den
gelegentlichen angetäuschten Projektorausfällen und Celluloid-Bränden,
die das ganze Grindhouse-Projekt durchziehen. Kritik sollte der eigenen Intelligenz,
die eine Tendenz zur Totalität zu Ende denkt, gegenüber skeptisch
bleiben. Indem sie die Herausforderung des Zombiefilms im Zeitalter von Kontrollgesellschaft
und Biopolitik mit komplementären Schwächen annehmen, ergänzen
sich diese stilistisch so gegensätzlichen Filme ganz gut bei der Begründung
dieses neuen Genres.
Diedrich Diederichsen
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: Die Zeit
28
Weeks Later
Großbritannien
2007 – Regie: Juan Carlos Fresnadillo – Darsteller: Robert Carlyle, Rose Byrne,
Idris Elba, Catherine McCormack, Jeremy Renner, Harold Perrineau, Imogen Poots
– FSK: keine Jugendfreigabe – Länge: 100 min. – Start: 30.8.2007
Planet
Terror
USA 2007
– Originaltitel: Grindhouse – Planet Terror – Regie: Robert Rodriguez – Darsteller:
Rose McGowan, Freddy Rodriguez, Marley Shelton, Michael Biehn, Josh Brolin,
Stacy Ferguson, Jeff Fahey – FSK: keine Jugendfreigabe – Länge: 102 min.
– Start: 4.10.2007
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