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2001 – Odyssee im Weltraum

 

"Willst Du den definitiven Science-Fiction-Film mit mir machen?", so fragte der Legende nach 1965 Stanley Kubrick den englischen Schriftsteller Arthur C. Clarke. Und so schön diese Legende den Mythos Kubrick nährt, so realistisch erscheint sie doch. Auch Kubricks Assistent Anthony Frewin gab zu Protokoll: "Alle aus der Crew wussten, dass dieser Film anders werden würde." In der Tat: "2001" war und ist ein anderer Film, damals sicher noch mehr als heute. Kubrick erschuf den modernen Science-Fiction-Film und setzte darüber hinaus entscheidende Impulse für das moderne Kino schlechthin. 

An dieser Stelle einen weiteren Deutungsversuch zu wagen, wäre sicherlich vermessen und unangebracht. Viel zu viele haben sich daran versucht, insbesondere den letzten "Akt" zu entschlüsseln. Der Astronaut Bowman landet nach einer psychedelischen Reise durchs Universum in einem Hotelzimmer und beobachtet seinen eigenen Alterungsprozess. Doch wie so oft scheint der Künstler (Kubrick) gar nichts bedeutungsvolles sagen zu wollen, sondern handelte aus rein dramaturgischen Motiven. Kubrick sagte dazu selber: "Das Ende wurde noch kurz vor der Aufnahme umgeworfen. Ursprünglich hatten wir nicht vor, Bowmans Alterungsprozess zu zeigen. Er sollte einfach in diesem Zimmer herumgehen und sich den Monolithen ansehen. Aber das erschien uns nicht befriedigend und interessant genug, deswegen suchten wir nach einer anderen Idee, bis uns schließlich das Ende einfiel, das man im Film sieht." Natürlich ist die Geschichte des Films keineswegs banal. Doch bleibt sie unklar genug, um eine mystische Ausstrahlungskraft zu entwickeln, die den Zuschauer auch heute noch in seinen Bann zieht. Das Symbol des schwarzen Monolithen ist so allgemeingültig, das jeder seine persönliche Interpretation auf diesen Quader projizieren kann: vom Symbol für die menschliche Entwicklung über die Deutung als Zeichen ausserirdischer Intelligenz bis zur Interpretation des Quaders als göttliche Instanz ist für jeden etwas dabei. 

 

Doch diese religiös-philosophische Ebene ist es nicht allein, die den Film trägt. Auch als "einfacher" Science-Fiction-Film funktioniert "2001" sehr gut. Der in den meisten Filmen dieses Genres auftretende Konflikt zwischen Mensch und Technik wird hier auf seine elementarste Form zurückgeführt: ein einsamer Astronaut kämpft gegen einen neurotischen Supercomputer. Doch nicht zufällig identifiziert sich der Zuschauer eher mit dem Computer, der zwar brutal agiert, aber eben Gefühl zeigt, während der Astronaut fast schon roboterhaft wirkt. Nicht umsonst kennt fast niemand die Schauspieler, die die beiden Astronauten dargestellt haben. Als Bowman dann schliesslich HAL seiner höheren Hirnfunktionen beraubt, singt der ein Kinderlied. Auch hier wieder gilt: jeder mag sich eine passende Interpretation herraussuchen. 

 

Wenn man die inhaltliche Ebene resümieren will, so zeigt sich: alle existentiellen Fragen des Menschseins werden aufgeworfen: woher kommen wir?, wohin gehen wir?, wer sind wir? Aber selbstverständlich hütet sich Kubrick, definitive Antworten zu geben. Dies wäre nicht nur langweilig sondern würde eben jenes Geheimnisvolle zerstören, was diesen Film umgibt. Oder wie Arthur C. Clarke es formulierte: "If you understand 2001 completely, we failed. We wanted to raise far more questions than we answered."

 

Auf der ästhetischen Ebene setzte dieser Film ebenso Maßstäbe. Die Verbindung von klassischen Kompositionen und auch heute noch atemberaubenden Bildern hat Kubricks Werk zu Recht den Status einer Oper eingebracht. Kubrick demonstriert die perfekte Kombination von Ton und Bild. Am beeindruckendsten in dieser Hinsicht sind die Aussenaufnahmen in totaler Stille. Kein anderer Science-Fiction-Film bleibt konsequent so nah an der Realität, was sich auch in den anderen technischen Details äußert. Natürlich sehen die Armaturen des Raumschiffs aus heutiger Sicht nicht modern aus, doch während die anderen Science-Fiction-Filme jener Epoche heute als trashige Komödie zu sehen sind, hat sich "2001" seine Seriosität bewahrt. Die eleganten Vorbeiflüge der Raumschiffe wirken auch heute noch nicht antiquiert. Lediglich die ungewohnten Schnitte und die ruhige Erzählweise stimmen nicht mehr mit heutigen Sehgehwohnheiten überein, was aber kein Nachteil, sondern eher ein Vorteil ist, wenn man diesen Film heute betrachtet. Denn umso deutlicher tritt die ästhetische Brillanz dieses Werks hervor, welches übrigens bei seiner Veröffentlichung 1968 als "10 Millionen Dollar teurer Underground-Streifen" bewertet wurde. Wie bei allen großen Kunstwerken steigt die Wertschätzung exponentiell zum zeitlichen Abstand seiner Erschaffung. So wirkt zwar der deutsche Werbespruch zur Wiederaufführung ("Immer noch der ultimative Trip.") etwas arg bemüht, bleibt in seiner Essenz aber wahr. Umso unverständlicher ist es, daß die Wiederaufführung mit gerade einmal 16 Kopien angelaufen ist und der Film in den "Arthouse"-Ablegern der großen Kinos, also tendenziell auf kleineren Leinwänden, gezeigt wird. Man kann nur vermuten, daß die Kinoindustrie Angst hat, das jugendliche Kinopublikum von heute würde erkennen, was für einen Müll es größtenteils von der Hollywood-Industrie vorgesetzt bekommt. 

 

Die gezeigte Version stimmt übrigens mit der 1968 gezeigten Version überein, bis auf die Tatsache, das die ursprüngliche Ouvertüren- und Pausenmusik des Avantgarde-Komponisten György Ligeti wieder eingefügt wurde. Die bei der Uraufführung gezeigte 17 Minuten längere Version bleibt weiter unter Verschluss. Kubrick hatte sie nach enttäuschenden Reaktionen des Publikums geschnitten. "Er hat ‘2001’ so in die Welt geschickt, und es wäre ungebührlich, etwas zu verändern.", so Nachlassverwalter Jan Harlan. Kubrick war Perfektionist und der Film hat in der vorliegenden Fassung seinen Status erlangt, also muss man Harlan sicherlich recht geben. 

 

Die Frage, was in weiteren 33 Jahren von diesem Film bleibt, ist ebenso unsinnig wie längst beantwortet. Denn "2001" hat den Film an sich stark beeinflusst, angefangen von der Tricktechnik über Kameraeinstellungen (Raumschiffe fliegen auch in aktuellen Filmen immer noch so an uns vorbei, wie Kubrick dies vorexerziert hat) bis hin zur Verwendung von Musik. Wenn Kubrick diesen Film tatsächlich in der Absicht gedreht hat, "den ultimativen Science-Fiction-Film" zu drehen, so ist ihm dies ohne Einschränkung gelungen.

 

Thomas Vits

 

Diese Kritik ist zuerst erschienen bei:  Planet Confusion

Zu diesem Film gibts im filmzentralen-archiv mehrere Kritiken

 

2001 – Odyssee im Weltraum

(Originaltitel: 2001: A Space Odyssey)

USA, 1968, 147min 

Darsteller:

Keir Dullea – Dr. David "Dave" Bowman

Gary Lockwood – Dr. Frank Poole

William Sylvester – Dr. Heywood R. Floyd

Daniel Richter – Moonwatcher

Leonard Rossiter – Smyslov

Regie: Stanley Kubrick

Drehbuch: Arthur C. Clarke  (story), Stanley Kubrick

Musik: Aram Khachaturyan (aus "Ballet Suite Gayaneh")

György Ligeti (aus "Atmospheres", "Lux Aeterna", "Adventures" und "Requiem")

Richard Strauss (aus "Also sprach Zarathustra")

Johann Strauss (aus "Blue Danube Waltz")

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