19
Auf
die Frage hin, ob Watanabe von Jim Jarmusch inspiriert sei, antwortete er im
Gespräch, daß er dessen Filme erst nach Fertigstellung von “19” zu
Gesicht bekam und er bei “Dead
Man”
eingeschlafen sei. Ich vermag in dieser Aussage nur Koketterie und Ironie erkennen,
denn “19” könnte kaum näher an den frühen Stadtbeschreibungen
Jarmuschs sein, einige Kamerabewegungen scheinen direkt übernommen, nur
das grobkörnige Filmmaterial beschwört eine etwas andere Atmosphäre,
doch spätestens bei den verzerrten Klängen aus E-Gitarren muß
man sich einfach an Neil Youngs Soundtrack zu “Dead Man” erinnert fühlen.
Und wenn dann auch noch einer der Darsteller auf seinem T-Shirt “Better burn
out than fade away” stehen hat, passt doch alles zusammen, oder?
Doch
ebenso wie sein Regisseur, Autor, Co-Cutter und Hauptdarsteller wirft auch “19”
lieber Fragen auf als welche zu beantworten. Wie nebenbei sehen wir eine Entführung,
die drei schweren Jungs, die den Studenten (der eh nichts besseres zu tun gehabt
hätte) “mit auf eine Tour” nehmen, wirken abwechselnd bedrohlich und wie
gute Kumpel. Am Strand gabelt man dann noch jemanden auf, und man erfährt
nicht wirklich den Sinn der Psychospiele, die Watanabe inszeniert. Ist einer
der drei auch nur ein früheres Opfer? Warum reagiert der Polizist nicht
auf die Situation? Wieviel ist Wahn, wieviel Wirklichkeit?
“19”
wirkt einerseits sehr japanisch in seiner Mischung aus Bedrohlichkeit und naivem
Humor, doch andererseits achtete der Regisseur etwa darauf, daß kaum japanische
Schriftzeichen im Film zu sehen sind. Die Welt von “19” ist eine der amerikanischen
Einflüsse, die Figuren sind gleichzeitig die Slacker aus den Filmen von
Kevin Smith und die supercoolen Gangster aus den Filmen von Quentin Tarantino.
Ebenso wie diese vermeintlichen Einflüsse mag auch das zur Schau gestellte
Markenbewußtsein und die Sammlerleidenschaft der “Baby Boomer”-Generation
in Japan mittlerweile nicht mehr als Fremdeinfluß zu erkennen sein, dem
europäischen Betrachter fällt es schwer, diese Parallelen zu übersehen,
unabhängig davon, wie der Regisseur seinen Film und dessen Entstehungsgeschichte
darstellt.
Doch
am wichtigsten ist, daß “19” größtenteils genauso faszinierend
ist wie die Vorbilder, von denen der Regisseur vielleicht wirklich nie etwas
gehört hat. Und das spricht für den Film, denn wer etwa die bundesdeutschen
Bemühungen miterleben mußte, in Filmen wie “Knockin’ on Heaven’s
Door” oder “Der Eisbär” auch nur einen Hauch von der Coolness Tarantinos
zu erhaschen, wird Watanabe vielleicht sogar als Erneuerer preisen, selbst,
wenn alles schon mal ähnlich dagewesen ist.
Thomas
Vorwerk
Dieser
Text ist zuerst erschienen bei:
Zu diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
19
Japan
2001
Buch
und
Regie:
Kazushi
Watanabe
Kamera:
Masakazu
Oka
Schnitt:
Yoshio
Sugano, Kazushi Watanabe
Musik:
Knockers
Records, Octabeer
Darsteller:
Daijiro Kawaoka (Usami), Kazushi Watanabe (Yokohama), Takeo Noro (Chiba), Ryo Shinmyo (Kober), Masahi Endo (Happy), Nachi Nozawa (Polizist)
DVD
Disc Type: DVD 5
Sprache: Japanisch
UT: Deutsch, Englisch, Französisch
Bildformat: 4:3
Ländercode: 2
Laufzeit 82 min + 12 min Bonus
Version: PAL
Bonusmaterial: Trailer, Interview mit dem Regisseur Kazushi Watanabe,
Ausführliches Booklet
erhältlich bei: