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15
Minuten Ruhm
Zwei
Killer filmen ihre Morde
„Was
ist schon das Leben anderer gegen deine 15 Minuten Ruhm?" Der Werbeslogan
zum Film stellt die Weichen, und wir haben verstanden: Mit dieser Frage will
nun rein gar nichts gefragt, nichts geöffnet sein. Denn natürlich
darf eine Antwort nur in blanker Empörung bestehen, womit die Grundhaltung
dieses Films – „Das darf doch nicht wahr sein!" – schon ganz gut beschrieben
ist.
Im
Rückgriff auf Andy Wahrhols viel zitiertes Versprechen von 1968, nach dem
in der Zukunft jeder für 15 Minuten berühmt werde, erzählt 15
Minuten Ruhm
von zwei Killern, die mit einer gestohlenen Videokamera ihre Morde festhalten.
„Sensationsjournalismus" heißt das Zauberwort, denn Leute wie der
TV-Star und „Top Story"-Moderator Robert Hawkins (Kelsey Grammer) zahlen
Unsummen für möglichst blutige Nachrichten – egal aus welcher Quelle.
Um das Zerrbild der diabolischen Massenmedien etwas komplexer zu gestalten,
ist auch der Held mit dem Fernsehen verbandelt. Eddie Fleming (Robert De Niro),
der zusammen mit dem Brandstiftungsexperten Jordy Warsaw (Ed Burns) die Killer
stoppen soll, ist durch seine Kooperation mit den Medien zu New Yorks populärstem
Polizisten aufgestiegen. Und eben dieser Ruhm, erklärt er uns und Warsaw,
hat ihm in seinen Job schon mehr als einmal geholfen.
Die
Plot-Maschine kommt ins Rollen und scheint so routiniert wie zielstrebig auf
die Mischung Actionthriller & Medienkritik zuzusteuern. De Niro und Burns
treiben als alter Hase und emotionaler Jungspunt ihre Ermittlungen voran, die
Killer morden/filmen skrupellos weiter und der unsympathische Sensationsmoderator
Hawkins bekommt reichlich Gelegenheit, den Verlust von Moral und Anstand zu
personifizieren: „Hard to believe – watch!" Der wahre Feind – das wollte
uns ja schon Natural
Born Killers
einbleuen – lauert hinter der TV-Kamera.
So
diskreditierend jedoch der Fernsehmann auch ins Bild gesetzt wird, gegen den
Ekelwert der beiden Killer hat er keine Chance. In schmierigen Hotelzimmern
saugen sie entmenscht an ihren Zigarettenstummeln, tauchen ihr hassverzerrtes
Gesicht in Rauch und schwitzen, schwitzen, schwitzen mehr als jeder rechtschaffene
Amerikaner. Das mag daran liegen, dass sie eben gar keine Amerikaner sind, sondern
kriminelle Osteuropäer, die gekommen sind, als illegale Einwanderer ein
Luxusleben zu führen. Der cholerische Killer Emil (Karel Roden) aus Tschechien
und sein tumber Helfershelfer Oleg (Oleg Taktarov) aus Russland sind so fremd,
wie man nur sein kann, und 15
Minuten Ruhm
lässt keine Gelegenheit aus, das „Illegale" der Einwanderer zu betonen.
Darüber
wird Migration zum zentralen Thema, denn mit und wegen Emil und Oleg lernen
wir noch andere Einwanderer kennen – „illegale", „legale" sowie deren
Nachkommen, zu denen auch Jordy Warsaw gehört. Und so dauert es auch nicht
lange, bis die Demarkationslinie zwischen guten und gefährlichen Fremden
eindrucksvoll festgelegt ist. Sekunden vor dem ersten Blutbad keift der arbeitsscheue
Tscheche seinem Opfer ins Gesicht: „Glaubst du, ich bin nach Amerika gekommen,
um zu arbeiten?! Niemals!"
Als
Film über Migranten in den USA bekommt auch die medienkritische Perspektive
einen neuen Sinn. Der (west-)weltfremde Oleg filmt die Morde, weil die für
ihn völlig neue Technik und der kindliche Traum von Hollywood einen magischen
Reiz ausüben und er sich für einen Regisseur „wie Frank Capra"
hält. Erst später entdeckt der verschlagene Mörder Emil, dass
mit Olegs Videos erstens Geld und zweitens Straffreiheit zu verdienen ist: Er
will mit den von „Top Story" begehrten Videobändern zugleich die eigene
Unzurechnungsfähigkeit dokumentieren, um damit durch die Lücken im
amerikanischen Rechtssystem zu schlüpfen. Nur aus diesem Grunde soll der
prominente Polizeiheld Fleming sein nächstes Opfer werden. Nicht um die
Warholschen 15 Minuten Ruhm geht es hier also, sondern um die Ausbeutung des
(schwächelnden) amerikanischen Systems durch Fremde. Und darauf steht die
Todesstrafe.
Offen
bleibt somit vielleicht nur die Frage, wie Robert De Niro in einem derartig
reaktionären Kram eine Hauptrolle übernehmen konnte. Der Regisseur,
Drehbuchautor und Produzent John Herzfeld jedenfalls scheint von Anfang an keine
Zweifel an der Stoßrichtung des Projekts gehegt zu haben: „Früher
kamen die Menschen nach Amerika, weil man es hier durch harte Arbeit zu etwas
bringen konnte. Heute will niemand mehr für irgend etwas verantwortlich
sein, die Leute wollen nur berühmt werden."
Jan
Distelmeyer
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
15
Minuten Ruhm
Fifteen
Minutes
USA
2001. R und B: John Herzfeld. P: Keith Addis, David Blocker, John Herzfeld,
Nick Wechsler. K: Jean-Yves Escoffier. Sch: Steven Cohen. M: Anthony Marinelli,
J. Peter Robinson. T: Allan Byer. A: Mayne Schuyler Berke. Ko:
April Ferry. Pg: Industry Enterteinment/New Line Cinema. V: Kinowelt. L: 121
Min. Da: Robert De Niro (Eddie Flemming), Edward Burns (Jordy Warsaw), Karel
Roden (Emil), Oleg Taktarov (Oleg), Vera Farmiga (Daphne), Kelsey Grammer (Robert
Hawkins), Melina Kanakaredes (Nicolette), Tygh Runyan (Stephen Geller), Janean
Christine Mariani (Mary).
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