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Star Wars
Ein
Urknall mit Folgen – Der erste Trip zum Todesstern
Vor 30 Jahren wurde „Star Wars“
uraufgeführt – Jugenderinnerungen an frühe Sprünge in den Hyperraum
des Serienkinos
Mein erster Startversuch in eine
märchenhafte Galaxie endete mit einer Bauchlandung. Schon am 25. Mai 1977
war „Star Wars“ in den USA vom Stapel gelassen worden, aber wir Westdeutschen
konnten „Krieg der Sterne“ erst ab Anfang 1978 sehen. Der Erwartungsstau war
groß, vor dem einzigen Cineplex Hamburgs bildeten sich beträchtliche
Schlangen. Wir reihten uns ein. Zu spät. Meine Mutter, mein Schulfreund
Ralfie und ich mussten an jenem Februartag mit einer Filmklamotte vorlieb nehmen.
Meine Mutter war erleichtert, dass sie den Weltkriegserfahrungen ihrer Kindheit
nicht noch zwei Stunden Sternenkrieg hinzufügen musste und fuhr uns in
die Provinz zurück. Auf dem Rücksitz saßen zwei enttäuschte
13-Jährige, die sich auf ein hyperrealistisches Ballerspiel gefreut hatten.
Oder trügt die Erinnerung? Ahnten wir die gewaltigen Dimensionen der Lucas´schen
Spielothek erst, als wir den Film dann wirklich sahen?
Hätte sich das Reiz-Reaktions-Muster
des Films im Prinzip des Tele-Pingpong erschöpft, wäre es beim ersten Anlauf der Saga (für
mich) wohl geblieben. Im Grunde lagen mir übrigens auch Kriegsspiele nicht
besonders. „Krieg der Sterne“ war aber mehr als das militante Plakat vermuten
ließ – und hatte mehr mit Ralfie und mir zu tun als vermutet. Das stellten
wir fest, als „Star Wars“ nach einigen Wochen endlich in unser Provinzkino kam.
Denn im Grunde genommen hatte unsere schleswig-holsteinische Kleinstadt, umgeben
von Bauernhöfen, viel mit Tattoine, dem halbvertrockneten Agrarplaneten
gemein, von dem aus der junge Skywalker aufbrach. Zwar zog Luke in einen Kampf,
der in Set-, Kostüm- und Schurken-Design an zwei Weltkriegen orientiert
war, inklusive einer von der Neutronenbomben-Debatte geprägten Gegenwart.
Aber das entging uns.
Mein stärkster Eindruck von
dem Film, der noch nicht „Episode IV. Eine neue Hoffnung“ hieß, war zunächst
die winzige Hologramm-Prinzessin, die ein Roboter dem jugendlichen Helden vor
die Füße spuckte. R2-D2 als Filmprojektor – in dieser Szene verkörperte
der Blechkamerad die Illusionsmaschinerie Kino schlechthin. Ich bin nicht sicher,
ob es wirklich George Lucas’ schrankenlosem Überwältigungskino oder
purem Zufall zu verdanken war, dass die Anfänge meiner cinéastischen
Leidenschaft und die Geburtsstunde des Blockbusters zusammenfielen. Dass Lucas
auch ein Pionier des Merchandising war, der sich in geradezu prophetischer Weitsicht die Lizenzen
seiner Galaxis sicherte (ohne vom Erfolgskonzept dieses einen Films übermäßig
überzeugt zu sein), bewies ein Blick in Ralfies Kinderzimmer. Auch ihn
reizten Raumgefühl, Dynamik und Tempo der ersten „Star Wars“-Filme, aber
im Gegensatz zum mir bekam er schon die passenden Objekte zu den Sensationen
geschenkt, hortete „X-Wing-Fighter“, besaß ein Plastikmodell von Han Solos
„Millennium Falcon“ und zwei Laserschwerter zum Anknipsen, die allerdings bald
unterm Bett landeten, weil sie bloß müde glimmten und weder ein bedrohliches
Brummen noch jenes eigentümlich Kreischen hören ließen, das
uns während der Filmduelle in die Kinositze presste. Dennoch: Die Macht
war mit uns. Nur verfügten wir nicht über sie.
Erst heute ist mir wirklich klar,
welchen Anteil die Akustik an den wahnwitzigen Bildern von Hyperraumflügen
und Lasergefechten hatte. Klar, das nachgeahmte Cyborg-Asthma Darth Vaders klang
unter Mutters Wischeimer effektvoller – das hatte mir Ralfie bereits demonstriert.
Aber wir beide hatten keine Ahnung davon, dass Lucas’ Tontechniker Trockeneis
auf heiße Herdplatten warfen, um die Überspannung aneinander krachender
Lichtschwerter hörbar zu machen oder den grausig verzerrten Sound trompetender
Elefanten aus den Boxen jagen ließen, wenn auf der Leinwand die „TIE Fighter“
des Imperiums hinter den (friedlich-sportlich tönenden) Rebellen-Raumgleitern
her waren.
„Star Wars“ verfolgte mich auch
in den 80ern, obwohl ich als Sympathisant der Friedensbewegung meine Probleme
mit der zunehmenden Aufrüstung im „Star Wars“-Kosmos hatte. In einem Londoner
Kinopalast erlebte ich „The Empire Strikes Back“ (der tragisch umwölkte
Höhepunkt der Serie). Der Fiesling sprach hier nicht wie ein bundesdeutscher
Nachrichtenmoderator auf Mittelwelle. Vielmehr hatte der mal bedrohlich schnarrende,
in den hellen Vokalen seltsam aufgeweichte Singsang von James Earl Jones eine
morbide Attraktivität, die den humanen Kern Darth Vaders nachvollziehen
ließ: „Luke, I am your father!“ – ein markerschütternder Satz. Den
zweiten akustischen Kulturschock versetzte mir die unerhörte Klangqualität
des Mehrspur-Magnettons. Hier schossen einem die Blechfanfaren des „Imperial
March“ regelrecht in die Ohren, blühte John Williams’ Filmmusik wirklich
auf, öffnete die Ohren für Wagner, Tschaikowsky und das ganze sinfonische
19. Jahrhundert, das im herrlichen Score mitschwang. Nicht mal Dolby Stereo
– einen vergleichsweise flauen Lichtton – hatte ich in der Provinz zuvor hören
können. Die Voraussetzungen dafür hatte Lucas immerhin geschaffen:
„Krieg der Sterne“ war der erste komplett in Stereo abgemischte Dolby-Film.
Dann die Optik: die visuellen
Effekte ließen einen Stop-Motion-Riesenaffen, der durch gemalte Urwälder
ruckelte, genauso hinter sich wie ein „Raumschiff Enterprise“, das trotz Lichtgeschwindigkeit
phlegmatisch vor wechselnden Hintergründen hing. Bei „Star Wars“ war der
Schwindel, im wahrsten Wortsinn, total. Han Solo ließ seinen „Millennium-Falken“
durch Sonnenwinde segeln, schlug atemberaubende Kapriolen und flutschte sogar
durch einen Meteroitenschwarm, während rechts und links die Gegner zerstoben
– ein Fest der Tricktechnik dank „Motion Control“, wobei die erstmals eingesetzte
Computertechnik separat gefilmte Bewegungen synchronisieren half. Es gab im
ersten Teil sogar schon eine knappe computeranimierte Bildfolge (ein Flug durch
den Bauplan des Todessterns), die beim Wiedersehen wie ein Vorausblick auf den
kommenden Quantensprung der Filmtechnologie („Jurassic Park“) wirkt.
„Die Rückkehr der Jedi-Ritter“
war eine mittlere Enttäuschung. Der zweite Todesstern ließ auf versiegende
Einfallskraft bei Lucas und Co. schließen und die bärigen Ewoks schienen
einem Streichelzoo entsprungen. Meine Helden hatten irgendwie ihre Unschuld
verloren: Luke war zum humorfreien Sektenheini mutiert, Han hockte im Wald,
Prinzessin Leia wurde mir unsympathisch, weil sie einen fettleibigen Schmugglerkönig
erdrosselte und – Taschentücher marsch! – sich als Lukes Zwillingsschwester
erwies. Als die im Computer aufpolierte Trilogie 1997 zurück ins Kino kam,
nervten die Sprünge zwischen neuer und alter Filmtechnologie. Zusätzlich
ins Bild gezauberte Raumschiffe und Fabelwesen irritierten und warfen uns aus
der Geschichte heraus. Andere Fans sahen das offenbar ähnlich, als sie
mit einer Flut von E-Mail-Petitionen erwirkten, dass Lucas die weniger vollkommenen,
aber charmanteren Ur-Versionen auf DVD veröffentlichte. Eine gute Idee.
Auch ein kühner Coup: das
Konzept der zweiten, ab 1999 ins Kino gebrachten Trilogie. Lucas schrieb keine
Fortsetzung, sondern erzählte die Vorgeschichte der Luke-Skywalker-Story.
Eine Art gigantischer Rückblende schildert den Zerfall einer außerirdischen
Demokratie und die „Machtergreifung“ des späteren Imperators. Skywalker
Senior zeugt Zwillinge und verabschiedet sich als schwarzer Ritter. „Episode
I. Die dunkle Bedrohung“ wollte alle bedienen, alte „Star Wars“-Kämpen
wie mich und die Kids – ein Anspruch, an dem die Serie zu zerbrechen drohte.
Und auch bei den anschließenden zwei Filmen konnte sich der rote Erzählfaden
im Dschungel der Parallel-Geschichten tüchtig verheddern. George Lucas
begann einem Leid zu tun, weil man die Sysiphusarbeit ahnte, Anschlussfehler
zwischen dem ersten und dem zweiten Zyklus zu vermeiden. Ralfie, mit dem ich
mich zum Veteranen-Kinoabend traf, regte sich nicht ganz zu Unrecht darüber
auf, dass die alte Republik in Raumfahrt und Waffentechnik fortschrittlicher
war als das spätere Imperium. Mich störten eher die aufgeblasenen
Bezüge zum weltpolitischen Diskurs und die immer kruder geratende Jedi-Theologie.
Clever ist die Maßnahme des Von-hinten-Aufzäumens natürlich
vermarktungsstrategisch, weil sie die „Star Wars“-Junkies an die Endlosschleife
der Hexalogie bindet. Im Finale von „Episode III“ wird Luke als Baby auf den
Planeten Tattoine gebracht und die Gedächtnisse von C3PO und R2-D2 werden
gelöscht, damit sie im Anschluss nicht alle Familiengeheimnisse ausplaudern
können. Abspann. Alles auf Anfang. Jetzt sollen wir uns die „remasterte“
DVD der „Episode IV“ mit vielen Extras kaufen. Und Fortsetzungsromane. Und Zeichentrickgeschichten
aus dem „Star Wars“-Imperium.
Ein Hauch von Sentimentalität
war dabei, als sich 2005 mit „Episode III. Die Rache der Sith“ im Kino ein Kreis
schloss. Dreißig Jahre nach dem folgenreichen „Urknall“ 30 Jahren einer
Saga wurde mir klar, wie lange ich sie schon kenne – die Skywalkers aus einer
gar nicht so fernen Galaxie.
Jens Hinrichsen
Dieser Text ist zuerst erschienen in: film-dienst
Zur „Star Wars-Reihe“ gibt es im archiv der filmzentrale mehrere Texte
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