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Wenn
in der Hölle kein Platz mehr ist
Erschreckender
als Zombies und Vampire: Der Altmeister des Horrorfilms George A. Romero wird
heute siebzig Jahre alt
Zum
Horrorfilm kam er über Umwege: Eigentlich wollte George A. Romero eine
Art Ingmar-Bergman-Film drehen. Doch der Stoff, mit dem der junge, kinobegeisterte
Werbefilmer in den Sechzigern hausieren ging, fand keine Investoren. Horrorfilme
hingegen stellten schnelles Geld in Aussicht. Romero sattelte um, lieh sich
kleckerweise ein Minimalbudget zusammen und kompensierte mangelnde Production
Values durch grelle Drastik. Mit grobkörnigen Schwarzweißbildern
stach sein Debüt "Night
of the Living Dead"
1968 in die USA wie in ein Hornissennest: Der Mord an Martin Luther King, die
Bilder aus Vietnam und der Protest auf den Straßen stellten die Nation
vor eine innere Zerreißprobe.
Es
waren die passenden Bilder zur Zeit, die das gemütliche Gruselkino mit
seinen viktorianischen Gentlemen und staubigen Monstern längst aus dem
Blick verloren hatte: Eine zufällig zusammengewürfelte Gruppe, die
sich angesichts Heerscharen lebender Toter in einem Landhaus verbarrikadiert,
scheitert schließlich an inneren Konflikten. Dass der afroamerikanische
Held am Ende von schießwütigen Rednecks erschossen wird, zählt
zu den Schlüsselszenen des amerikanischen Kinos. Der Popkultur schenkte
Romero einen Mythos: Aus dem ikonografischen Repertoire der Zombie-Apokalypse
schöpfen Musikvideos, Horrorfilme und Comics heute ganz selbstverständlich.
Was
Romero – und dann sein Werk – dabei auszeichnete, war nicht bloß, dass
er eine Grundformel des Genres – es gibt ein Drinnen, es gibt ein Draußen
und an der Grenze jede Menge Ärger – in selten erlebter Klarheit artikulierte.
Seit seinem Erstling malt er mit dicken Strichen an einem dunklen Bild der Menschheit,
die sich fortlaufend falsch entscheidet, an alten Mustern festhält und
geleitet von partikularen Einzelinteressen den eigenen Untergang heraufbeschwört.
Die Stimme der Vernunft, sie artikuliert sich zwar, doch wird sie meist totgeschlagen:
Erschreckender als Zombies, Viren und Vampire sind hinterwäldlerischer
Machismo, unkontrollierte Militärs und verkrustete Überzeugungen bei
Romero allemal.
In
"Martin" (1977) etwa, seinem schönsten Film, erzählt er
im melancholisch gedämpften Tonfall von einem jungen, verwirrten Mann,
der aus Osteuropa in die Obhut eines älteren Herrn nach Pittsburgh kommt.
Dieser hält ihn für einen Vampir und lässt, mit tragischen Folgen,
zur "Errettung" dessen Seele nichts unversucht. Zwar steht außer
Frage, dass Martin Menschen wegen ihres Blutes tötet. Doch ist es der starrsinnige
Aberglaube des alten Mannes, der diesen als das wahre Monster kennzeichnet:
Martins Hilferufe, dass er krank sei und kein Dämon, verhallen folgenlos.
So
stellt "Martin" auch eine humanistische Antwort auf Friedkins reaktionären
"Exorzist"
(1973) dar, der das Entsetzen über eine entfremdete Jugend streng aus Perspektive
des Establishments objektiviert. Romero dagegen wählt den entgegengesetzten
Blickwinkel: Vor dem hysterischen Pathos eines Exorzismus bleibt Martin nur
kopfschüttelnd die Flucht. Es gelingt ein Kinoglück in 16 mm, von
Sozialarbeiterkitsch weit entfernt.
"Wenn
in der Hölle kein Platz mehr ist, kommen die Toten auf die Erde zurück"
lautet die reißerische Werbezeile von Romeros berüchtigtem "Dawn
of the Dead"
(1978), der das allegorische Potenzial der Untotenschar um eine plakative Konsumkritik
erweitert. Ein erstaunlich gelungenes Remake löste 2004 ein Genre-Revial
aus, sodass auch bei Romero, 20 Jahre nach seinem letzten Zombiefilm, neuerlich
Untote Einzug hielten: "Land
of the Dead",
eine wütende Parabel auf die USA nach dem 11. September und dessen Folgen,
lässt kaum Zweifel daran, dass Zombies wahrscheinlich doch die besseren
Menschen sind. Seitdem legt Romero, bis heute ein Hollywood-Outsider mit oft
langen Arbeitspausen, im vergleichsweise rasanten Tempo Zombiefilme vor: "Survival
of the Dead"
läuft gerade im Festival-Circuit, im April startet das Remake seiner Seuchenapokalypse
"The Crazies" (1973). Dem Altmeister des Horrorkinos sei deshalb heute
eine Atempause gegönnt: George A. Romero wird 70 Jahre alt.
Thomas
Groh
Dieser
Text ist zuerst erschienen am 4.2.2010 in der taz
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