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Randolph
Scott
23.1.1898 – 2.3.1987
Er war groß, einfach und stark. Er blickte
immer geradeaus. Randolph Scott war THE MAN BEHIND THE GUN, der allein zu reiten
hatte, ein Kerl wie in Holz geschnitten, das heißt auch, mitten im Versuch,
dem natürlichen Material einen klaren Willen aufzuzwingen.
Randolph Scotts Westerner bestehen aus drei Aggregatzuständen:
Ruhe, Entschlossenheit, Verzweiflung. Jede Geschichte aus dem Westen ist mit
diesen drei Zuständen zu erzählen, und jede neue Reihenfolge ergibt
ein anderes Drama. In der klassischen Western-Form, in der Scott Garant für
die selbstverständliche Ordnung der Dinge war, geht die Entwicklung von
der Ruhe über die Verzweiflung zur entschlossenen Tat und zurück in
die Ruhe. In seinen späteren Western, insbesondere in den Filmen des Ranown-Zyklus
unter der Regie von Budd Boetticher, steht am Anfang die Verzweiflung. Sie löst
die entschlossene Tat aus. Der angestrebte Punkt der Ruhe wird verfehlt, weil
die Verzweiflung zu groß ist. Denn Randolph Scott war in diesen Filmen
immer die Frau genommen. Niemand konnte wie er, mit so wenigen Gesten und Worten,
zeigen, wie es ist, wenn einem Mann die Frau genommen ist, so oder so, als Mensch
oder als Bild. So war denn Ruhe nur in der Tat zu haben, die stets der Erfüllung
eines Rituals glich.
Randolph Scott war das Gegenteil eines Abenteurers.
Selbst in seinen minderen Filmen wirkte er wie einer, der in sich eine tiefere
Ordnung spürt. Er weiß schon, was in der Fremde noch zu lernen wäre.
So oft ist er die klare, gestrenge Männlichkeit, die der verwirrten Frau
einen Halt geben könnte. So ist die „arche-typische" Einsamkeit des
Randolph-Scott-Westerners (und anderer seiner Charaktere) eben auch das Ergebnis
eines Melodrams, das wir uns denken müssen, zwischen dem so offenen, freudig
ruhigen Lachen und der Verschlossenheit, mit der er dann tut, was seiner Meinung
nach zu tun ist.
Scott hieß eigentlich Randolph Crane und kam
aus Virginia. Er war Ingenieur, und als er plötzlich krank wurde, das ist
eine schöne Geschichte, riet ihm sein Arzt, des Klimas wegen nach Westen
zu gehen. Dort erst wandte er sich der Schauspielerei zu, gehörte eine
Zeit zum Pasadena Community Playhouse und versuchte lange ohne Erfolg, Arbeit
beim Film zu finden. Während dieser Zeit, wir befinden uns immer noch in
der schönen Geschichte, teilte er die Wohnung und die Lebenskosten mit
einem jungen englischen Schauspieler namens Archibald Leach, den wir später
als Cary Grant wiederfinden. Die Film-Welten von Grant und Scott können
entfernter nicht gedacht werden.
Seinen Stil als Western-Darsteller entwickelte Scott
in einer Reihe von Filmen nach Romanen von Zane Grey. Zugleich waren dies Remakes
von Stummfilm-Western, und Randolph Scott führte die Tradition der „realistischen"
Cowboy-Stars wie William Surrey Hart und Jack Holt fort. Zwischen den Extremen
des großen Kindes im Cowboy-Outfit wie Tom Mix und dem späteren Neurotiker
mit dem Revolver verkörperte er das Paradox eines erwachsenen Mannes im
Westen.
Auch in Großstadtdramen oder Komödien
blieb Scott der heimliche Westerner. Aber seine besten Filme waren Western,
bis hin zu seinem letzten, RIDE THE HIGH COUNTRY von Sam Peckinpah.
Randolph Scott ist die selbstverständliche,
im Gegensatz zur narzißtischen Männlichkeit. Nichts an ihm war heroische
Inszenierung, nichts verlangte nach Gefolgschaft, seine Taten vielmehr gelebte
Moral. Das bringt die Konflikte gewissermaßen automatisch hervor, denn
erstens ist das Gesetz so oft der Widerspruch zu einer Moral, und zweitens bringt
jede Moral, je konsequenter angewendet, desto mehr, ihre eigene Unmoral hervor.
Randolph-Scott-Western haben die unerbittliche moralische Mechanik großer
Vers-Epen und elisabethanischer Dramen. Zwischen Loyalität, Ehre, Moral
und Recht führt der Weg direkt in den Kampf von Männern, die einander
innerlich verwandt sind und die dadurch die moralischen Grundlagen ihres eigenen
Systems zerstören, oder ins Blutbad, das nicht zu verhindern ist. In dieser
Welt ist kein Platz für’s Räsonnieren und für Psychologie. Die
Erkenntnis eines Irrtums verhindert seine Folgen nicht; die Dinge nehmen ihren
Lauf. In den fünfziger Jahren führen solche Loyalitätskonflikte
den RandolphScott-Helden immer mehr ins Abseits. Die Tragödie wird bitter.
Nicht er ändert sich, wohl aber die Zeit, im Kino und draußen. In
RIDE THE HIGH COUNTRY versucht er es und scheitert. Er verliert seinen Freund,
der um jeden Preis an der alten Moral festgehalten hat. Und weil das schlimmer
ist, als wenn man selbst erschossen wird, verabschiedete sich Randolph Scott
mit diesem schmerzend schönen Western im Jahr 1962 von jeder Art von Film.
Georg Seeßlen
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: epd Film 4/87
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