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Sam Peckinpah  21.2.1925 – 28.12.1984

 

 

Die Kunst des Sterbens

I’ve come a ways and I’ve paid a price. It’s cost me plenty -maybe my sanity and least a couple of marriages – and I’m not sure the game is worth it. Sometimes I want to say the hell with it and pack it in, but I can’t do that. I stick or I know I’m nothing. Then I look around and I notice I’m not entirely alone. There are maybe 17 of us left in the world. And we’re a family. That family is composed of the cats who want to do their number and get it on. It’s the only family there is. My father said it all one day. He gave me Steve Judd’s great line in RIDE THE HIGH COUNTRY: „All I want is to enter my house justified. "                                                   Sam Peckinpah

 

1

Keine falschen Vertraulichkeiten. Peckinpah-Filme haben mich meistens fasziniert, aber vieles blieb mir fremd und fern, zu verstehen höchstens über Kino-, nicht über Menschenerfahrung. Darin geht es um eine Art zu leben, nein, noch viel mehr um eine Art zu sterben, die mir, da sie unzweifelhaft etwas meint und trifft hinter den Bildern, fremder ist als eine Art zu leben und zu sterben wie etwa die aus den Filmen von Jean-Pierre Melville, die ganz erfunden sein möchte.

 

Peckinpahs Todesfilme sind aber auch deshalb so fremd, weil sie gleich so vertraut sind: Das Leben bekommt in ihnen seinen Sinn, seine Gestalt, vom Ende, vom Sterben her. Auf die Frage „Gibt es ein Leben vor dem Tod", mit der sich europäische Kinogänger über ihre Pizza danach beugen mögen, hätte er vielleicht gesagt: Es kommt darauf an, wie man stirbt.

 

Natürlich hätte ich ihm, aus aller Entfernung, einen Tod gewünscht wie den von Cable Hogue: lachend, das Lebenswerk getan, das nicht sonderlich bedeutsam war vielleicht (und in Wahrheit auch nicht weniger als individuelle Wiederholung der amerikanischen Zivilisationsgeschichte), die Freunde um sich, die zurückgekehrte Frau, eine Hure, wie alle wichtigen Frauen bei Peckinpah, einen Schnaps zur Hand, und vor allen Dingen unter freiem Himmel. Dann, nur dann, macht es nichts aus, daß der Tod ein schlechter Witz ist.

 

Daraus wurde nichts. Peckinpah bekam seinen 1985-Tod, keinen von 1895, einen amerikanischen Tod, keinen mexikanischen. Er hat ihn von hinten erwischt; keine Zeit, ihn zu inszenieren und so zum letzten und großen Teil des Lebens zu machen. Und sei es, brüllend hineinzulaufen, sich in seine Arme zu werfen, wenn er nun schon einmal da ist. Es kam nicht so, und das tut mir leid. Aber ansonsten, wie gesagt: keine Vertraulichkeiten.

 

2

Peckinpah, die Rothaut, war gewiß zeit seines Lebens ein Rebell, ein Outlaw; er befand sich auf dem Kriegspfad mit Produzenten und Gesellschaftsspielen. Aber viel davon war vermutlich selber Spiel, eine Selbstschutzmaßnahme, eine Möglichkeit zu überleben.

 

Vielleicht deshalb sind von hier aus so oft falsche Erwartungen, Hoffnungen in ihn gesetzt worden: Ein sonderbarer Streiter sollte das sein, zugleich für das Alte und für die Erneuerung, für das Kino und für seine Zerstörung.

 

Am Anfang hoffte man zugleich, er würde dem Western seine „alten" epischen Qualitäten wiedergeben, und er würde das Genre revolutionieren. Aber spätestens dann bei MAJOR DUNDEE registrierte man nicht nur, daß die eine oder andere Kleinigkeit „ideologisch" nicht stimmte; offensichtlich hing Peckinpah auch in einem ästhetischen System, aus dem er sich durch gelegentliche wilde Zornesausbrüche und noch seltener durch einen eigenen Hang zur Melancholie, zum bitteren Schweigen befreite, um doch immer zurückzukehren. Zugleich aber beherrschte er so unzweifelbar, daß es dem hartnäckigsten Kritiker die Sprache verschlug, das Handwerk von Action, der Ästhetisierung von Gewalt. Kaum einer hat es verstanden wie Peckinpah, den Inhalt eines Filmes so dramatisch auf das zu konzentrieren, was sichtbar geschieht und genau damit eine so schockierende emotionale und eben auch „moralische" Wirkung zu erzielen, wie etwa Dashiell Hammett es mit Worten erreicht hat. Darum spielt bei Peckinpah das Überwältigende, das Neue, die Steigerung, der Fanatismus eine solche Rolle: Der Zuschauer wird gezwungen, im Bild zu bleiben, nicht auszuweichen, zu flüchten in die zahllosen Nebenbedeutungen, die Genre-Filme wie selbstverständlich evozieren. Peckinpah drehte keine Spiel-Filme.

 

Er war möglicherweise einer der letzten, die sich Bilder vom Zustandekommen von Amerika machten und noch erschrecken konnten. Es war ein wenig der Blick eines Existentialisten auf Amerika (natürlich war das Anti-Intellektuelle Peckinpahs eine Pose), „Sartre mit einem Touch von Keystone Cops". THE DEADLY COMPANIONS und RIDE THE HIGH COUNTRY sind vielleicht noch Western, universale Männermärchen, hier schon mit einem Hauch der Vergeblichkeit, der Trauer und der Pathologie. MAJOR DUNDEE, THE WILD BUNCH und PAT GARRETT AND BILLY THE KID sind Versuche zu Geschichtsfilmen, oder zu Anti-Geschichtsfilmen, wenn’s beliebt. Nicht weil sie eine so eigenwillige „Botschaft" haben, hat sie der Apparat, das Filmbusiness so ungern und häufig nur verstümmelt durchgehen lassen, sondern weil sie stets gegen die Voraussetzungen ihres Genres, ihrer Sprache revoltierten. Nicht nur seine Helden, auch Peckinpahs Filme scheinen zu einer Freiheit verurteilt, die es nicht gibt. Nicht umsonst ist eine der wesentlichen Stilfiguren darin die von der Idylle, die durch eine gewaltsame Aktion und/oder einen gewaltsamen Zugriff des Filmemachers auf das Bild zerstört wird.

 

In THE WILD BUNCH sagt William Holden, nachdem ein Überfall völlig sinnlos in einem furchtbaren Blutbad geendet hat, daß er sich eigentlich nach diesem Coup hat zurückziehen wollen. Und Ernest Borgnine antwortet – ungefähr: Wohin könnten wir uns schon zurückziehen? In BRING ME THE HEAD OF ALFREDO GARCIA erfahren wir von dem Helden, daß er noch nie in seinem Leben irgendwo war, wo er noch einmal hin zurück wollte. In THE GETAWAY kommt Steve McQueen sowieso gleich aus dem Gefängnis, und in THE KILLER ELITE geht es um die Flucht aus einer umfassenden Organisation.

 

Wenn es etwas Gemeinsames der Peckinpah-Helden gibt, dann ist es, daß sie keinen Weg zurück haben, aber auch keinen Weg wirklich irgendwohin. Oft einfach nicht als Möglichkeit, und genausooft nicht einmal als Traum. „Das Land wird alt, und ich will mit ihm alt werden", sagt James Coburn als Pat Garrett, und in Peckinpahs Welt ist dieser Satz gewiß fürchterlicher als die Tatsache, daß er dafür seinen Freund Billy the Kid umbringt. Peckinpahs Helden haben in der Geschichte und in der Gesellschaft keinen Platz gefunden, an dem sie alt werden könnten. So müssen sie vorwärtsstürmen, nicht, weil es da vorne etwas, was auch immer, zu holen, zu erobern, zu erreichen gäbe, sondern weil es für sie keinen anderen Weg gibt. Und dieser einzige Weg, der Weg der Gewalt, ist ziemlich sicher der Weg in den Tod. Das Überleben ist unwahrscheinlich. (In seinen populärsten Filmen wie GETAWAY oder CONVOY überleben die Helden, aber das ist so unwahrscheinlich, daß es als kurzer Traum erkenntlich ist. So wie die Sizilianerin in Tavianis LA NOTTE DI SAN LORENZO ihr Überleben träumt im Augenblick ihres Todes.)

 

Die Peckinpah-Helden haben anfangs gelegentlich noch Pläne, freundliche oder wenigstens zivile Gedanken, sie möchten sich einrichten, etwas erreichen, vielleicht sogar friedlich sein. Aber genau dieses Ziel eines sinnvollen, auf irgend etwas ausgerichtete Lebens, wird von ihnen verpaßt. Oder die Geschichte hat sich anders entwickelt, sie hat diesen Platz für den einzelnen gar nicht, der von allen ersehnt wird, die richtig „funktionieren". So kommt für sie der Moment, an dem sie erkennen, daß die Zivilisation ein Mißverständnis war Sie verwandeln sich in „Kampfmaschinen"; sie werden ganz physisch; statt sich zu unterwerfen, bringen sie Menschen um; in allem Mechanischen sehen sie die Möglichkeiten, die Feinde zu überwinden. Diese Feinde, das ist immer – von ein paar „Gefährten des Todes" abgesehen – die ganze Welt. Alle Apparate und Systeme, die Menschen, die Gesellschaft, die ganze verfluchte Schöpfungsgeschichte aus und in Amerika. Peckinpah war ein religiöser Mensch.

 

Insofern erzählt STRAW DOGS mehr oder minder dieselbe Geschichte wie CONVOY, STEINER oder THE KILLER ELITE; es ist nicht ein Film ideologisch fragwürdiger als der andere. Es mag nur mit dem Geld, der Macht, der Liebe oder der Gesundheit zusammenhängen, wie entspannt, wie konzentriert, wie zynisch oder wie verzweifelt Peckinpah „seine" Geschichte erzählt hat. Am Beginn seiner Filme stirbt der Held schon einen ersten, einen sozialen und einen kulturellen Tod. Durch eine kurze Szene, immer wieder, wie in CABLE HOGUE, PAT GARRETT, THE WILD BUNCH usw. das Foltern und Töten von Tieren, immer wieder auch die Grausamkeit von Kindern und immer wieder die Unmöglichkeit der Treue von Frauen, verweist er auf das Ende. Wer nur noch überleben will, schafft auch das meistens nicht. Am Ende, nachdem er blutvergießend und immer mehr die gesellschaftlichen, politischen Mechaniken für sich nutzend und verhöhnend durch die korrumpierte „Gegenwart" gestapft ist, stirbt er auch physisch, oder, was dasselbe ist, verwandelt sich in einen komischen kleinen Traum.

 

3

Sam Peckinpah ist auf einer Ranch in Madera County in Kalifornien aufgewachsen. „Diese Welt ist untergegangen. Ich fühle mich wurzellos", sagt er 1972.

 

Sein Vater war Richter, der mit denselben einfachen Grundsätzen die Familie, Amerika, die Welt, den Kosmos zusammenhalten wollte. Aber Sam widersetzte sich der Autorität, obwohl sie für ihn wichtiger und „schöner" war als alles andere auf der Welt. Aus der untergegangenen Welt der Ranch geriet er, als Strafe, in die zweite der Kadettenschule und der Armee. Und als Soldat kam er nach China: seine dritte Welt. Peckinpah fühlte sich zeit seines Lebens zur chinesischen Kultur hingezogen, er war vielleicht sogar unheilbar an ihr erkrankt. Aber er war auch Amerikaner genug, daß er sich nicht vorstellen konnte, in einer Welt zu leben, in der es so viele Kommunisten gibt. Dabei ist er selber ein halber Indianer gewesen!

 

Nach einem Studium an der University of Southern California begann er gegen Ende der fünfziger Jahre seine Karriere mit Drehbüchern und Regie-Arbeiten für Fernseh-Western. (Ich habe zwei Episoden von Gunsmoke und eine von The Rifleman gesehen. Es war tatsächlich schon viel von seiner Kunst des Physischen in ihnen. Es wäre daran vielleicht auch zu studieren, wie fragwürdig unser Blick auf die „Spitzen" und wie töricht unsere Arroganz gegenüber der Masse der amerikanischen Kultur ist. Peckinpah ist als „Autor" sicher nur vor diesem Hintergrund zu verstehen.)

 

Peckinpah schied von der Serie The Rifleman, die er selbst mit geschaffen hatte, als diese sich mehr und mehr zu einem Kinderprogramm entwickelte, so wie sich – verrückterweise – in Amerika etwas dadurch zu den Kindern hin bewegt, indem es weniger physische Aktion und mehr Gerede enthält. 1961 fertigte Peckinpah seinen ersten Kino-Western THE DEADLY COMPANIONS. Es war noch, was man so eine „Auftragsarbeit" nennt, eine Rachegeschichte, die Geschichte von einer Frau, die ihr erschossenes Kind an der Seite seines Vaters beerdigen will, die Reise mit einem Sarg durch den Westen, durchs Indianerland.

Nahezu alle Peckinpah-Filme sind Reisefilme, Reisefilme, die in die Hölle führen. Wenn man an das Kathartische in seinen Filmen glauben will, das er so hartnäckig behauptet hat, dann ist es wohl dies: Seine Helden steigen stellvertretend für uns in den Hades hinab und erfahren, ganz wie es sich der frühe Sartre vorgestellt hat, daß die Hölle ein Nirgendwo, nämlich immer die anderen sind.

 

Etwas anderes ist dann RIDE THE HIGH COUNTRY, eine kleinere Geschichte und ein größerer Film. Erzählt wird von den beiden alten Gunfightern Gil und Steve, denen die Knochen schon weh tun beim Absteigen vom Pferd, die eine Brille brauchen und die es trotzdem noch in den klassischen moralischen Konflikt miteinander treibt, der seine Bedeutung verliert, weil sie es mit Menschen zu tun bekommen, die auf eine für sie unvorstellbare Art und in unvorstellbarem Ausmaß böse sind.

 

MAJOR DUNDEE war dann der Film, bei dem sich Peckinpah endgültig das Image eines querköpfigen und streitsüchtigen Egoisten zuzog, der das Budget und die Drehzeit auf ebenso abenteuerliche Weise zu überziehen pflegte, wie er bei jedem Menschen die Stelle fand, die ihn wirklich und tief verletzte. Man sagt, Peckinpah sei ein Perfektionist gewesen. Das heißt auch, er hat sich mit der Arbeitsteilung der Filmproduktion nicht abfinden können. Das hat sympathische und häßliche Züge.

 

Und Peckinpahs Freunde und Bewunderer haben sich auf einen freundlichen Mythos über die spezifische Art von Verzweiflung und Todeslust geeinigt, die ab nun in allen seinen Filmen zu spüren sein wird. Er sei eben, sagen sie, ein lebender Anachronismus gewesen, ein Mann, der in die falsche Zeit geboren sei, ein „Gunfighter im Zeitalter der Raumfahrer", so Dustin Hoffman.

 

Erstaunlich ist, daß der „Indianer" Peckinpah, der nie etwas anderes gedreht hat als Western und nie einen echten Western (wahrscheinlich, weil er wirklich nicht für Kinder gearbeitet hat), keinen Film über Indianer gemacht hat. In einem vehementen und gar bösen Angriff gegen seinen Lehrmeister und sein Vorbild John Ford hat er als Grund dafür genannt, daß er niemals Weiße in die Rollen von Indianern einsetzen würde. Daß alles ‘shitty’ sei, was Indianer im Western beträfe. Ich wage eine andere These: Sam Peckinpah hat nie etwas anderes gemacht als Indianerfilme. Filme über Menschen, deren Kultur und Zivilisation zerstört wurde und die ihre Identität nur durch ihren Kampf und noch mehr durch ihren Tod haben. „Der Tod muß Grazie und Stil haben – nur das ist wichtig", sagte Peckinpah. Im Tod besiegt diese alte Kultur die neue; in der Kultur der Sinne lernt man richtig zu sterben, nicht in der Kultur des Geldes. Die Utopie der Peckinpah-Filme: sich noch einmal vor dem Tod in einen Indianer; einen Wilden zu verwandeln. Das ist mörderisch, aber es sagt uns etwas.

 

4

Nun habe ich noch gar nichts über Peckinpahs Beziehungen zu Mexiko gesagt, das an die Stelle von China trat und wo niemand „irgend etwas mit irgend etwas anderem verwechselt". Ich habe noch nichts über Peckinpahs Frauen-Typen gesagt, nichts über das biblische Gleichnis CABLE HOGUE und das politische in THE KILLER ELITE und OSTERMAN WEEKEND. Ich habe noch nichts über die McCarthy-Jahre der Schwarzen Listen und Peckinpahs Rache THE WILD BUNCH erzählt, nichts über die 3600 Schnitte in diesem blutrünstigen Film, nichts über das Sterben in Zeitlupe, über die Tanzbarkeit des Todes. Und schon gar nichts über die Gleichung von Autobiographie und Mythos. Vielleicht hätte mich das alles noch gar nicht in jene Gefilde falscher Vertraulichkeit geführt, die ich mir verboten habe. Aber zuviel von Peckinpah ist schwer zu ertragen, sogar in Europa.

 

Deshalb nur noch ein (vorläufig) letzter Gedanke. Peckinpah war gewiß nicht, was man einen naiven amerikanischen Filmemacher nennen könnte. Es betraf ihn wohl stärker als manchen Filmpatrioten, was John Ford über den Zusammenhang von territory und Filmemachen gesagt hat, aber wenn einer durch die Dutzende von fucks und ‘bullshits’ geduldig blieb, hörte er auch viel von Kurosawa, dem „frühen" Fellini, Antonioni und Bergman. Und das haben ihm dann auch viele Kritiker übelgenommen, daß in seinen Filmen über Amerika so häufig und unmotiviert (unmotiviert, sagt Sherlock Holmes, ist das Wort für das Unverständnis des Detektivs) „europäische" Manierismen, Formspielereien, Reflexionen vorkommen (CABLE HOGUE ist wieder ein Beispiel; erst als er alle seine Geschichten erzählt und jeden Aspekt davon einmal in unwiederholbar schockierender Form, ließ sich Peckinpah ganz auf amerikanische Erzählweisen ein). Peckinpah, bestimmt nicht bloß wegen seines Master’s Degree im Fach Drama, war nicht so naiv, wie ein amerikanischer Filmemacher außerhalb New Yorks in europäischen Kritikeraugen sein sollte. Er war eine puritanische Rothaut, die Brecht studierte. Ein bißchen umwegig mag seine Berufung auf den Augsburger sein, bei seinen eigenen Formen von Verfremdung. Sie sind fast alle kaputtgemacht worden.

 

Zum Beispiel die „kontrapunktische" Musik von Jerry Fielding in GETAWAY. Steve McQueen mochte sie nicht, und sie wurde ersetzt. Oder die Rolle von Bob Dylan in PAT GARRETT AND BILLY THE KID, der dauernd schaut, ob die Kamera läuft, überlegt, was er zu tun hat, zögert und aus seiner Rolle fällt.

 

Aber vielleicht ist Verfremdung auch das Schlüsselwort für die „modernen" Action-Filme, mit denen Peckinpah seine Western fortsetzte. STEINER ist MAJOR DUNDEE all over again. Die Vernichtungsapparate sind schrecklicher und zugleich auch sonderbarer, wenn es gestattet ist: komischer, geworden. Peckinpah interessiert sich keinen Deut dafür, daß deutsche Soldaten im Zweiten Weltkrieg mit ganz anderen Gedanken und ganz anders getötet haben und gestorben sind als an der mythischen West-Grenze Amerikas. Für ihn hat sich nichts geändert, seit Sierra Chariba nach Mexico gegangen ist. Die Indianer sind fern, ferner denn je.

 

Und doch, was uns von Peckinpah bleibt, ist gewiß nicht, was uns hätte erreichen können. Seit Jahren beobachten wir, wie die amerikanische Kultur ihre schönsten Produkte ziemlich grinsend zerstört. Der Fall Peckinpah ist ein bißchen komplizierter. Daß alle die Berechnungen, Verfremdungen, Polyphonien aus seinem Werk getilgt worden sind, reduziert es auf die Ebene des wenn auch gelegentlich überwältigenden Erzählkinos. Sehr viel mehr als den Brechtianer Losey zum Beispiel müssen wir uns den Brechtianer Peckinpah erst selber zusammensetzen aus den Bruchstücken, die das Business und unser kritischer Apparat übrigließen.

 

Georg Seeßlen

 

Filmographie

 

1961   THE DEADLY COMPANIONS Gefährten des Todes

1962   RIDE THE HIGH COUNTRY Sacramento

1965   MAJOR DUNDEE Sierra Charriba

1969   THE WILD BUNCH The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz

1970   THE BALLAD OF CABLE HOGUE Abgerechnet wird zum Schluß

1971   STRAW DOGS Wer Gewalt sät

1972   JUNIOR BONNER Junior Bonner. THE GETAWAY Getaway

1973   PAT GARRETT AND BILLY THE KID Pat Garrett jagt Billy the Kid

1974   BRING ME THE HEAD OF ALFREDO GARCIA Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia

1975   THE KILLER ELITE Die Killer Elite

1977   CROSS OF IRON Steiner – Das eiserne Kreuz (GB/BRD)

1978   CONVOY Convoy

1982   THE OSTERMAN WEEKEND Das Osterman Wochenende

1984   »Valotte«, »Too Late for Goodbyes« (Music Video Clips)

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in: epd Film 2/1985

 

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