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"Reine
Unterhaltung interessiert mich nicht."
Neu auf DVD: "Diese Nacht" von Werner Schroeter
Anlässlich
des Filmstarts von Werner Schroeters Meisterwerk "Diese
Nacht"
traf FM5 den französischen Schauspieler Pascal Greggory, der durch seine
atemberaubende Performance in der Hauptrolle überzeugen kann, zum Gespräch.
FM5:
Im Internet ist es gar nicht so leicht, viele biografische Fakten über
Sie herauszufinden. Haben Sie eine klassische Schauspielausbildung genossen
und wie sind Sie das erste Mal zum Film gekommen?
Pascal
Greggory:
Angefangen habe ich, als ich zwölf Jahre alt war. Ich habe damals im Chor
der Pariser Oper gesungen. Später habe ich ganz klassisch einen zweijährigen
Schauspielkurs absolviert. Ich glaube aber fest daran, dass das Schauspielfach
kein Beruf ist, den man wirklich erlernen kann. Man lernt das Schauspielen nur
durch das Spielen an sich und durch die Erfahrungen, die man in der Arbeit mit
den Regisseuren sammelt. Ich jedenfalls habe in meinen Kursen nicht viel gelernt.
In
Ihrer frühen Karriere haben Sie öfters mit Eric Rohmer zusammen gearbeitet.
Wie ist es dazu gekommen?
Ich
habe einen Film gemacht, Die "Schwestern Brontë" von André
Téchiné mit Isabelle Huppert, Isabelle Adjani und Marie-France
Pisier. Nach dem Film wollte Rohmer mich sprechen und hat mich in sein Büro
gerufen. Dort haben wir diskutiert und er hat mir ein Foto abgenommen. Vier
Monate später klingelte mein Telefon und ich wurde gefragt, ob ich zur
Lesung komme für seine Verfilmung des Kleist-Stoffs "Käthchen
von Heilbronn", wo er mir dann die Rolle des Friedrich Wetter angeboten
hat. So hat sich das ergeben. Rohmer hat immer gesagt "Alles ist beliebig,
außer der Zufall!".
Viele
Schauspieler haben für "Diese Nacht" unter ihrem üblichen
Preis gearbeit. Was hat Sie persönlich an dem Projekt gereizt?
Es
war sicher nicht das Geld, das mich gereizt hat. Ich habe Werner Schroeter schon
vor 30 Jahren in Paris kennen gelernt und wir hatten auch viele gemeinsame Freunde,
aber wir haben noch nie zusammen gearbeitet. Als Werner mich dann gebeten hat,
bei "Diese Nacht" mitzumachen, war es für mich nur ein logischer
Schritt.
Ich
habe ja schon mit Eric Rohmer, Patrice Chéreau und so weiter zusammen
gearbeitet. Das sind alles Leute, die Werner Schroeter sehr respektiert. Eigentlich
war es wie beim Staffellauf, wenn der Stab von einem zum nächsten weiter
gereicht wird. Irgendwann bin ich dann halt bei Werner Schroeter angekommen.
Außerdem
hat mir Paolo Bronko, (Anm.: der Produzent von "Diese Nacht") mit
dem ich schon mehrere Filme gedreht habe, noch Geld geschuldet. Und immer hat
er zu mir gesagt "Beim nächsten Film bekommst du dein Geld zurück!".
Aber glücklicherweise hat Paolo wie ich einen guten Filmgeschmack, so dass
ich nie einen schlechten Film machen musste (lacht).
Wie
lief die Zusammenarbeit mit Werner Schroeter konkret ab?
Mit
Werner war das eine sehr enge Kooperation auf gleichberechtiger Ebene. Wir haben
uns eigentlich nicht so viel über meine Rolle an sich unterhalten, sondern
viel mehr über Literatur, Musik und Malerei, nicht so sehr übers Kino.
Wir haben uns zum Beispiel gefragt, welche Musik würde mein Charakter hören?
Wohin würde er fahren, wenn er Ferien oder eine romantische Reise machen
will?
Bei
den meisten Regisseuren ist es ja entweder so, dass sie einem als Schauspieler
enorme Freiheiten zugestehen und einfach machen lassen. Oder eben im Gegenteil
ganz konkrete Vorstellungen haben und dem Schauspieler eigentlich keinen Spielraum
lassen. Beide Extreme finde ich nicht gut. Ich liebe an Werner Schroeter, dass
er die Dinge erstmal frei laufen lässt, aber ganz genau weiß, wann
er eingreifen muss.
Wie
viel Freiheiten hatten Sie, die Rolle auszuarbeiten?
Ich
war sicherlich sehr frei in meiner Arbeit und konnte den Charakter nach meinen
Vorstellungen gestalten. Werner hat die Rolle von Anfang mit mir geplant, daher
wusste ich, dass ich ungefähr dem entspreche, wie er die Rolle anlegen
wollte. Eigentlich hat er mich gesucht.
Welche
Herangehensweise haben Sie an eine Rolle? Sind Sie eher ein method
actor,
der sich total mit seinem Charakter identifiziert oder haben Sie eher einen
analytischen Blick?
Ich
habe keine bestimmte schauspielerische Methode. Mir fällt da eine Anekdote
ein von Dustin Hoffman und dem großen englischen Schauspieler Laurence
Olivier, die gemeinsam „Der Marathon Mann“ gedreht haben. Dustin Hoffman kam
völlig erschöpft ans Set und der Regisseur wollte gerade eine Szene
vorbereiten, in der Dustin Hoffman außer Atem sein soll. Da sagte Dustin
"Einen Moment noch!" und wollte noch einmal um das Gebäude laufen
und dann in 15 Minuten zurückkommen. Da fragte ihn Laurence Olivier: "Wozu?
Wieso spielst du nicht einfach?". Das fasst meine Auffassung ganz gut zusammen.
Es gibt keine Methode, jeder spielt einfach nach seinem eigenen Empfinden.
Sie
arbeiten ja immer wieder am Theater, das eigentlich viel höher subventioniert
wird als der Film, aber dennoch meist sehr konventionell ist und vor allem ein
junges Publikum nicht wirklich erreicht. Was reizt Sie an diesem "toten"
Medium?
In
der Tat arbeite ich viel an subventionierten Theatern, allerdings nicht an den
Privaten, weil mir die viel zu konventionell und bürgerlich sind. In Paris
zieht das öffentliche Theater allerdings immer noch eine Menge junger Leute
an. Das ist auch einer der Gründe, weshalb ich überhaupt noch Theater
mache. Aber so oft mache ich das ja gar nicht mehr, vielleicht so alle drei,
vier Jahre. Ich such mir die Produktionen auch sehr gezielt aus und nehme nur
an Projekten teil, die auch selbstkritisch ihre Daseinsberechtigung hinterfragen.
Warum sie das überhaupt machen und mit welchen Mitteln sie mit diesem Medium
noch junge Leute erreichen können. Wenn es nur um reine Unterhaltung geht,
interessiert mich das nicht.
Die Fragen stellte Fabian Kretschmer.
Dieses
Interview ist zuerst erschienen in: http://fm5.at/
Hier eine Kritik zum Film von U. Kriest
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