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Buchbesprechung:
Lars Dammann – Kino im Aufbruch. New Hollywood 1967-1976
2004 widmete die Berlinale dem
New Hollywood eine Retrospektive, der dazugehörige Katalog wurde im selben
Jahr bei Bertz+Fischer veröffentlicht, gleiches gilt für die Taschenbuchausgabe
von Peter Biskinds Anekdotensammlung „Easy Riders, Raging Bulls“, der im Jahr
zuvor noch die gleichnamige und nicht minder geschwätzige Dokumentation
Kenneth Bowsers vorausging.
Vielleicht mag es mit der momentanen
Erstarrung der noch im Milleniumjahr sehr experimentierfreudig anmutenden Traumfabrik
zusammenhängen, dass der Blick immer wieder auf dieses filmhistorische
Phänomen schweifen will. Da mutet es recht erstaunlich an, dass sowohl
die hiesige als auch internationale Publikationslage zuvorderst dem Autorenbegriff
verhaftet bleibt, die Perspektive auf einige herausragende Filmschaffende zentriert
oder vereinzelte motivische oder ökonomische Aspekte hervorhebt, um das
Neue dieser Hollywoodära entsprechend zu unterfüttern.
Insofern leistet Lard Dammann
mit seiner, in der filmwissenschaftlich orientierten Aufblende–Reihe des Schüren
Verlags veröffentlichten, Studie eine wahre Pionierarbeit. So stehen nicht nur ästhetische
Positionen und Spezifika, das Verhältnis des neuen, eben auch europäisch
grundierten Hollywoodkinos der fast schon mystifizierten movie
brats zu seinem klassischen Ausläufer, im
Fokus seines Interesses, sondern auch die ökonomischen und soziopolitischen
Rahmenbedingungen samt ihrer Interdependenzen, die diese kurzzeitige Handlungsfreiheit
der Regisseure im Produktionsprozess begleiteten. Folglich setzt die Arbeit
mit dem Niedergang des klassischen Studiosystems ein. Die Beharrlichkeit der
schwerfälligen Produktionsfirmen, strukturell auf die veränderten
Sehgewohnheiten eines sich verjüngernden, fragmentierten Publikums nicht
zu reagieren sondern stattdessen weiterhin auf familientaugliche Filme zu setzen,
die spätestens mit dem Einzug des Fernsehens an Breitenwirksamkeit einbüßten,
ist für diesen Niedergang ebenso von Relevanz wie die Entwicklung eines
flexiblen Exploitation- und Undergroundkinos, in dem der Bewegungsspielraum
zwischen Manierismus und Gesellschaftskritik bereits einige Tendenzen des New
Hollywood ankündigte.
Bekanntermaßen verdienten
sich hier einige Protagonisten, ob Peter Bogdanovich oder Francis Ford Coppola,
ihre ersten Sporen. Dezidiert geht Dammann all dieses Strängen nach: Von
Fragen nach den Besonderheiten der postadoleszenten Gegenkultur in den 60er
Jahren und ihrem Ausdruck in Werken wie The Graduate oder Cool
Hand Luke,
ihrer Transformation zur widerständischen Protestkultur unter dem Eindruck
des Vietnamkriegs bis hin zur Watergate–Affäre, dem Niederschlag dieser
gesellschaftlichen Entwicklungen im zunehmend düsteren Politthriller oder
den zwischen Desillusion und Groteske changierenden Kriegsfilmen The Deer Hunter und Catch
22, von
der Liberalisierung zensorischer Beschränkungen bis hin zur veränderten
Darstellung der Paarbeziehungen erschöpft der Autor in einer beeindruckenden
Materialdichte so ziemlich jeden Aspekt, um seinem selbstgesetzten Ziel gerecht
zu werden und im Schlusskapitel der Frage nachzugehen, ob und inwiefern das
New Hollywood für die Gestalt des heutigen postklassischen Blockbusterfilms
einen nachhaltigen Wert besitzt, der sich neben den seit Jaws und Star Wars unleugbar veränderten Produktions- und Vermarktungsbedingungen
auch in einer bestimmten Erzähltradition fortsetzt.
Leider verbleiben einige editorische
und inhaltliche Ungereimtheiten: An das stets verweigerte Stichwort- und Personenverzeichnis
hat man sich ja beim Verlag bereits gewöhnt. Leider sind aber auch mindestens
zwei zitierte Bücher im Literaturverzeichnis nicht zu finden, wie auch
so mancher Paraphrase eine genaue Seitenangabe gut getan hätte. Zudem wäre
in manchen sozialstrukturellen Beschreibungen eine soziologische Studie sicherlich
erkenntnisfördernder gewesen als Roger Cormans posthume Einschätzungen.
Und ob das „gesamte Genre des Horrorfilms maßgeblich im Mainstream beheimatet
(ist): ideologisch, narrativdramaturgisch und filmökonomisch“ (S.237),
sei mal mit den Verweisen auf Texas Chainsaw Massacre, Carnival of Souls und Dawn of the Dead dezent in Frage gestellt.
Sven Jachmann
Dieser Text ist zuerst erschienen im: schnitt
Lars Dammann – Kino im Aufbruch. New Hollywood 1967 – 1976,
Schüren Verlag, Marburg 2007, ISBN 3-89472-435-8, 384 Seiten, 24,90 Euro
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