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Tom Cruise – Kontra

Führers Geburtstag, 20. Juli 1944. Ein Terroranschlag auf Ihn. Nicht in der Reichshauptstadt! Weder im Bendlerblock, noch in der Gestapo Friesenstraße. Ja, weiß Tom Cruise das denn nicht?! Er, der alles kann, – er hätte doch die Drehgenehmigung in Polen einholen müssen. Für den Wald bei Gierloz, 5 km nordöstlich von Karolewo bei den Seen Siercze und Mój. Verdammt schöne Gegend, dieses Masuren. Aber nein, Herr Cruise will am Wannsee wohnen. Mit all dem Comfort. Wäre der Wald bei Gierloz, – da, wo sich die Wolfsschanze versteckte, – wäre das für „Valkyrie“, den Film, der jetzt glücklich in aller Munde ist, nicht das rechte Aushängeschild für Großdeutschland gewesen?? Cruise, Walküre, überirdisches Weib, im deutschen Wald?? Aber nein, das ausländische Weichei suhlt sich im westberliner Sumpf. Kein Aas hat ihn hier auf Trab gebracht. Vor ihm auf den Knien rumzurutschen, bringts nicht. Wenn selbst unsere Powerfrauen von den Vertriebenenverbänden das Maul nicht aufmachen, dann nutzt Cruise der deutschen Sache nicht. Er schadet nur. Selbst vor dem method acting hat er sich gedrückt. Es gibt doch noch was von unserer Wolfsschanze zu bekucken: Touristenlogistik, Hotels, Restaurants, alles dabei. Es wär doch gegangen!

 

Mein Vorschlag: ein letzter Versuch. Er fährt mit sachkundiger Begleitung von Vertriebenen dorthin und läßt sich vom genius loci inspirieren. Dann schnell bei den Zwillingen die Genehmigung zum Drehen eingeholt, und ab geht die Post. Die Welt würde statt von polnischen Wäldern und Sümpfen wieder vom guten, alten ostpreußischen Rastenburg sprechen. Jawoll, und ich würde dann ein Pro-Tom-Cruise in der Jungle World hudeln.

 

Doch da die Cruise-Walküre den Tatort außen vor lassen wird, droht außenpolitischer Schaden. Unser Unnachbar wird zum abermalen vor den Kopf gestoßen. Was hätte ihm die Produktion des Films am Tatort nicht für Ressourcen gebracht! Was für Geld wäre in die polnische Wirtschaft geflossen! Polnische Koproduzenten genießen in der Branche den besten Ruf. Der deutschpolnische Film „Strajk – Die Heldin von Danzig“ hat im vorigen Jahr vorgemacht, wie toll das geht. Aber nein, Berlinbrandenburg muß sich jeden Euro unter den Nagel reißen, und Polen soll sehen, wo es bleibt. Die da in Babelsberg sind die reinsten Neocons. Es wird genommen, was der Markt hergibt. Wo der Tatort ist, ist egal.

 

Gut, wenn Cruise nicht nach drüben geht, dort, wo die Realität herrscht, – dann kann er den Stauffenberg nicht spielen. Denn Terrorist Claus Graf Schenk von Stauffenberg deponierte seine Sprengstofftasche persönlich im Führerhauptquartier von Gierloz/Rastenburg. So war es. Und es war noch nicht einmal einer von diesen modischen Sprengstoffgürteln. Dem Täter passierte dort nichts (nur später), und Cruise wäre auch am Leben geblieben, auch später, denke ich doch.

 

Noch ein Einwand: Die Nase! Unser bayerischschwäbischer Stauffenberg hat die seine schmal und edel geformt, wie es sich für das uralte Adelsgeschlecht geziemt. Auch war er sieben Jahre jünger und sowieso drahtiger, als der abgewichste Cruise mit dem Knollen im Gesicht und dem Bauch vor sich. Auf so was können wir Deutsche nicht stolz sein.

 

Aber nun mal im Ernst. Cruise in der Rolle des Hitlerattentäters würde all unseren Vergangenheitsbewältigern die Maske vom Gesicht reißen. Die Welt wird glauben, dass so etwas wie Widerstand und Sprengstoffterror pure Fiktion ist und dass es dergleichen real nicht gegeben hat. Denn wir wissen ja, dass Cruise nicht ein Supernazi wie der Schenk von Stauffenberg ist, der sich als gläubiger Hitlerfan bis ins Führerhauptquartier hochgedient hat. Oberst im Generalstab! Knall die Hacken zusammen! Erst als es im Krieg den Bach runterging, wollte er es besser machen.

 

Stauffenberg der bessere Hitler! Aber Cruise der bessere Hitler?! – Das glaubt kein Schwein. Auf so was sollten wir uns mit unserer großen deutschnationalen Geschichte nicht einlassen. Hände weg vom deutschen Adel, Tom!

Wir haben selbst einen, der uns den Übernazi Stauffenberg machen könnte. Sind wir uns einig? Klar, es ist der, der sich in diesen Tagen für die repräsentative Deutschrolle andient. FAS gelesen? Sein Adelsantlitz leuchtet in allen Medien. Einer vom Fach. Es ist – Florian Henckel von Donnersmarck von der Oberschicht. Er hat die Power, glaubhaft zu spielen, wie Oberst im Generalstab Stauffenberg den Versager Hitler auszutauschen gedenkt – gegen sich selbst und per Staatsstreich. Was hätten wir für eine feine Adelsherrschaft gehabt. Alles Nazis. Es ging ja damals nicht anders.

Also Donnersmarck, du Filmregisseur. Du mußt es machen. Dreh den Film doch selbst. Du bist da, und den Cruise mach weg. Das nennt man denn ja wohl Filmstreich. Und wenn du willst, such dir einen Stauffenbergdarsteller. Mich! Meine Nase ist schmal, und Pimpf war ich auch. Kontra! Die Naziwelt steht uns offen, wenn der Cruise erst mal weg ist.

 

Dietrich Kuhlbrodt

 

Dieser Text ist, in ähnlicher Fassung, vorher erschienen in der: Jungle World

 

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