zur startseite
zum archiv
Sunshine
Cleaning
Skurrile Geschichten um disfunktionale
Familien, geplatzte Träume und Umwege beim Überlebenskampf haben
Konjunktur in Zeiten der Krise. Christine Jeffs zeigt zwei Schwestern beim Versuch,
ihr Leben in den Griff zu bekommen
Rose Lorkowski ist eine der typischen
Verliererinnen, wie man sie im Mittleren Westen zuhauf findet. Im Kino wie im
Leben. Einst war sie Cheerleaderin und das begehrteste Mädchen an der Highschool.
Jetzt, Mitte dreißig, arbeitet sie als Haushälterin und Putzfrau,
muss allein ihren Sohn Oscar durchbringen und hat eine Affäre mit dem verheirateten
Polizisten Mac. Eine Fantasie, als Immobilienmaklerin den amerikanischen Traum
zu erfüllen, ist weit entfernt. Roses Schwester Norah lebt immer noch bei
ihrem Vater Joe, der sich in abstrusen Luft-Geschäften verliert. Seit dem
Selbstmord der Mutter fühlt sich Rose für Norah verantwortlich, und
das geht der Jüngeren gehörig auf die Nerven. Oscar ist, wie man so
sagt, »verhaltensauffällig« und wird von der Schule verwiesen.
Eine private Sonderschule aber kostet Geld. Mac ist es dann, der die Schwestern
auf eine Idee bringt: »Biohazard removal business«, genauer gesagt:
die Säuberung von Tatorten, das Beseitigen der Spuren von Mord, Selbstmord,
Amoklauf und Verwahrlosung. Das bringt 500 Dollar ein, für eine Arbeit,
die reichlich grausig sein kann. Nachdem sie Erfahrungen gesammelt haben, bauen
Rose und Norah ein kleines Unternehmen auf. Nach zwei, drei veritablen Katastrophen
ist das »Sunshine Cleaning«-Projekt vielleicht doch auf bestem Weg.
Mit dem Überraschungserfolg Little
Miss Sunshine hat
Sunshine Cleaning nicht nur einen Teil des Titels und des
Produktionsteams gemeinsam, sondern auch die Mischung von Schrägem und
Sentimentalem, Satire und Feelgood Movie, wobei Sunshine
Cleaning harmloser, aber
dabei vielleicht auch noch näher dran an alltäglichen Erfahrungen
und damit skeptischer ausgefallen ist. Dass die Schwestern Lorkowski es vielleicht
doch noch schaffen, halbwegs würdevoll zu überleben (durch die Arbeit
an Orten, an denen Menschen ihre Würde entschieden verloren haben), lässt
jedenfalls nicht vergessen, wie viele Leute dabei auf der Strecke bleiben. Auf
die Frage nach dem Tod ihrer Mutter antwortet Norah: »It was kind of a
do-it-yourself-thing.« Der Selbstmord,
der Versuch in einem letzten Akt der Autonomie auf das Scheitern zu reagieren,
nimmt dem System die Arbeit ab. Sarkastischer Humor ist allerdings, anders als
bei Little Miss Sunshine, hier eher Zugabe; Sunshine Cleaning
ist keine Komödie. Die vielen Geheimnisse in der Familie, die sich nach
und nach offenbaren, bilden vielmehr das klassische Familiendrama; Sunshine
Cleaning ist wohl im Kern vor allem ein Film über Schwesterlichkeit.
Und das meint nicht nur Konflikt und Liebe in einer Familie.
Christine Jeffs hat ihren dritten Spielfilm
trotz allem auch mainstreamkompatibel zu machen versucht. In einen Abgrund blickt
hier niemand, Hoffnung wird schon fast in Überdosis verabreicht, alle Personen
(jenseits der Tatorte) haben so viele Stärken wie Macken, und selbst die
Welt der heruntergekommenen Motels und der Trailer Parks ist nie ohne Trost.
Der Film schreckt immer da zurück, wo es beim In-die-Tiefe–Gehen richtig
schmerzhaft werden könnte.
Georg Seeßlen
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: epd Film 5/2009
Sunshine
Cleaning
USA
2008. R: Christine Jeffs. B: Megan Holly. P: Peter Saraf, Marc Turtletaub, Jeb
Brody, Glenn Williamson. K: John Toon. Sch: Heather Persons. M: Michael Penn.
A: Joe Garrity. Pg: Big Beach/Clean Sweep. V: Capelight Pictures. L: 91 Min.
Da: Amy Adams, Emily Blunt, Alan Arkin, Jason
Spevack.
Start: 21.5.2009 (D)
zur startseite
zum archiv