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Notorious
B.I.G.
Werde
reich oder stirb beim Versuch
Stationen eines Rapperlebens: Das Biopic
"Notorious B.I.G." erzählt eine Bilderbuchkarriere aus der Siegerperspektive.
George Tillmans Biopic "Notorious
B.I.G." über den Rapper The Notorious B.I.G. kann schon ein wenig
nostalgisch stimmen. Mitte der Neunzigerjahre war die US-amerikanische HipHop-Szene
zu einer Soap Opera für harte Jungs verkommen. Christopher Wallace, so
Biggies bürgerlicher Name, und sein Mentor Sean Combs alias Puff Daddy
(heute P. Diddy) befanden sich im Epizentrum eines absurden Kleinkriegs, den
die wortführenden Parteien von der Ost- beziehungsweise Westküste
direkt über die Medien austrugen.
Um Musik - New Yorker Straßen-Lyrizismen
gegen den hypersexistischen G-Funk aus dem sonnigen Kalifornien - ging es dabei
nur vordergründig. Der Streit markierte vielmehr den Übergang in eine
neue HipHop-Ära, die von Gangsta-Manierismen und glitzernden Anzügen
dominiert sein sollte. Der Rest der Welt schaute dem juvenilen Gepose amüsiert
zu; selbst wer damals der Meinung war, dass das letzte gute Album bereits ein
paar Jahre zurücklag, interessierte sich plötzlich wieder für
HipHop. Der Spaß fand ein jähes Ende, als 1996 und 1997 innerhalb
weniger Monate Wallace und sein Kontrahent Tupac Shakur auf offener Straße
erschossen wurden.
Schade nur, dass "Notorious B.I.G."
wenig Erhellendes über die Hintergründe dieses Konflikts zu erzählen
weiß. Schon 2002 hatte sich der Filmemacher Nick Broomfield mit seiner
Dokumentation "Tupac and Biggie" die Zähne an den Beteiligten
und dem Freundeskreis der Ermordeten ausgebissen. Bei "Notorious"
kommt nun erschwerend hinzu, dass er von Biggies Mutter Voletta und Combs selbst
produziert wurde. Der Film fällt dementsprechend konventionell und vorhersehbar
aus. Gewissenhaft klappert er die Stationen von Wallaces kurzer Biografie ab,
vom dicken Jungen, der von seiner alleinerziehenden Mutter auf eine katholische
Privatschule geschickt wird und in seinem Zimmer Kurtis-Blow-Texte auswendig
lernt, über den ersten Drogendeal inklusive Knastaufenthalt bis zum Plattenvertrag
mit Combs "Bad Boy Entertainment"-Label. Im HipHop nennt man so was
eine Bilderbuchkarriere; es gibt sie inzwischen zu Dutzenden. Platin-Rapper
wie 50 Cent haben ihre Miniimperien auf dem Mythos der Straße errichtet.
Umso enttäuschender, dass es Regisseur
Tillman nicht zu vermitteln gelingt, warum ausgerechnet Chris Wallace postum
zur Integrationsfigur mit Vorbildcharakter aufsteigen konnte. Er und Combs waren
weiß Gott nicht die Ersten, die HipHop von der Straße holten, indem
sie ihn von der Straße handeln ließen, wie Puff-Daddy-Darsteller
Derek Luke im Film einmal meint. Vielmehr hatte Combs schneller als die Konkurrenz
HipHop als einträgliches Geschäftsmodell erkannt. "Notorious
B.I.G." ist das jüngste Produkt in dieser Merchandise-Linie.
Tillmans Film lässt allerdings auch
befürchten, dass der treudoofe amerikanische Aufsteiger-Mythos demnächst
als einzig gültige HipHop-Erzählung überleben wird. Nicht ganz
zufällig sind die bislang einzigen Biopics - "Get Rich or Die Tryin'"
und jetzt "Notorious B.I.G." - unter persönlichem Einsatz der
zwei erfolgreichsten Selfmademen, 50 Cent und Puff Daddy, entstanden. Die Perspektive
ist dadurch zwangsläufig eingeschränkt: Wieder mal ist es den Gewinnern
überlassen, Geschichte zu schreiben. Der geläuterte Drogendealer ist
die neue Heiligenfigur im HipHop. Diese Version hat allerdings einen kleinen
Schönheitsfehler. Nach Filmen wie "Juice" oder "Hustle and
Flow" sind die Biografien von Notorious B.I.G. und Tupac inzwischen selbst
ein Klischee. Genauso wie die Einschussnarben von 50 Cent.
Andreas Busche
Dieser
Text ist zuerst erschienen in der taz vom 24.03.09
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Texte
Notorious
B.I.G.
USA 2009 - Originaltitel: Notorious - Regie: George Tillman Jr. - Darsteller: Jamal Woolard, Angela Bassett, Derek Luke, Anthony Mackie, Antonique Smith, Naturi Naughton, Dennis L. A. White, Julia Pace Mitchell, Cyrus Farmer - Länge: 122 min. - Start: 26.3.2009
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