zur startseite
zum archiv
zu den essays
Kick-Ass
Ein
Superheld nicht durch Spinnenbisse, außerirdische Herkunft oder andere
Genmanipulationen, sondern einfach durch Entschluss: Matthew Vaughn mixt in
seiner Comicverfilmung die Genres »sarkastische Teeniekomödie«
und »drolliges Actionkino«
Wie
hätte Sam Raimis pädagogisch angehauchte Comicadaption Spider-Man wohl
ausgesehen, wenn der ehemalige Horrorfilmregisseur nicht so viel Respekt vor
der Vorlage gehabt hätte? Vielleicht so wie Kick-Ass, der
auf vergnügliche Weise bedenkliche Superheldenfilm von Matthew Vaughn,
der auf dem gleichnamigen Comic von Mark Millar und John Romita Jr. (Sohn des
legendären »Spider-Man«-Zeichners) basiert.
Der
Film beginnt als sarkastische Teenagerkomödie: Dave Lizewski ist ein in
jeder Hinsicht durchschnittlicher New Yorker High-School-Schüler und Comicfan.
Er hat genau zwei (männliche) Schulfreunde und seit dem Tod seiner Mutter
lebt er allein mit seinem Vater. Um der Ereignislosigkeit seines nicht besonders
schwierigen Lebens zu entkommen, beschließt er, der Superheld »Kick-Ass«
zu werden. Da er aber nicht, wie sein Vorbild Spider-Man, im Chemieunterricht
von einer radioaktiven Spinne gebissen wurde, verfügt Dave auch nicht über
Superkräfte und bezieht, als er sich den Straßenrowdys entgegenstellt,
die immer seine Comics mopsen, anständig Prügel. Erst als seine vielen
Knochenbrüche mit Metallplatten und Titannägeln verarztet sind, hat
er eine Chance gegen die Prügelknaben der Nachbarschaft, bekommt ganz viele
Freunde bei Myspace und wird leider auch zur Zielscheibe von Mafioso Frank D’Amico
(Mark Strong). Aber Dave ist zum Glück nicht der einzige Superheld in New
York. Der tatsächlich furchtlose und durchtrainierte Excop »Big Daddy«
(Nicolas Cage) hat mit seiner quirligen Tochter »Hit Girl« (gespielt
von der elfjährigen Chloe Moretz) den Kampf gegen das organisierte Verbrechen
in Gestalt des Drogenbarons D’Amico aufgenommen.
Kick-Ass wirkt
wie das Missing Link zwischen Pixars Animationsspaß Die
Unglaublichen
und der bitterbösen Erwachsenencomicadaption Watchmen von
Zack Snyder. Mühelos wechselt der Film von drolliger Teeniekomödie
zu gewalttätigem Actionkino. Lediglich der erste Sex wird, wie in den prüden
amerikanischen Superheldencomics üblich, nur angedeutet. Die genretypisch
zu Karikaturen zugespitzten Protagonisten des Films entwickeln sich schnell
zu echten Charakteren, in denen man sich nicht nur als eingefleischter Comicfan
wiederfinden kann. Das vergebliche Streben nach Anerkennung, die verstohlenen
Blicke auf die prallen Brüste der Lehrerin, die eigenen Gewaltfantasien
gegen stärkere Mitschüler – alle unterdrückten Teenagerängste
und feuchten Träume der Jugend machen sich Luft in einer Eruption aus brutalen
Kampfeinlagen und blutigen Schießorgien. Einen nicht unerheblichen Anteil
an der aufwühlenden Sogwirkung des Films hat der sorgfältig ausgewählte
Soundtrack. Auf der Tonspur trifft rhythmischer Technokrach von Prodigy auf
ultraschnellen Old-School-Punk der Dickies und auf die augenzwinkernd zitierte
Italowesternfilmmusik von Ennio Morricone. Bleibt zu hoffen, dass der Wortwitz
der Originalfassung mit Comiczitaten und Anspielungen auf die amerikanische
Jugendsprache die Synchronisation ins Deutsche überlebt.
Jörg
Buttgereit
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: epd Film
und
bei: http://joergbuttgereit.com/deutsch/filmkritiken/
Kick-Ass
USA/GB
2010. R:
Matthew Vaughn. B:
Jane Goldman, Matthew Vaughn (nach den Comics von M. Millar). P: Brad Pitt,
Matthew Vaughn, Adam Bohling, Tarquin Pack, David Reid. K: Ben Davis. Sch: Jon
Harris, Eddie Hamilton. M: Ilan Eshkeri. A:
Russell De Rozario. FSK:
16,ff. V: UPI. L: 106 Min. Da: Nicolas Cage, Mark Strong, Chloe Moretz, Aaron
Johnson.
Start:
22.4.2010 (D), 15.4.2010 (CH), 16.4.2010 (A)
zur startseite
zum archiv
zu den essays