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Die Buñuel-Retrospektive auf der "Berlinale" 2008: LA FIEBRE SUBE A EL PAO
Das einzigartige filmische Oeuvre des
spanischen Regie-Meisters Luis Buñuel
(1900 – 1983) wurde auf der diesjährigen "Berlinale"(2008)
mit einer großen Retrospektive angemessen gewürdigt. Zu sehen waren
auch die 21 selten gezeigten Filme, die der Regisseur in seiner Wahlheimat Mexiko
drehte – darunter LA FIEBRE SUBE A EL PAO aus dem Jahr 1960.
Ein guter Kameramann ist ein Glücksfall
für jeden Regisseur. Er hat Intuition, er folgt nicht nur dem gestalterischen
Willen des Regisseurs - ist dessen "Auge" -
er verleiht einem Film auch eine eigene Handschrift. Einer dieser Kamera-Autorenfilmer
ist Gabriel Figueroa, deswegen muss im Zusammenhang mit dem Film LA FIEBRE SUBE
A EL PAO neben dem Namen des Regisseurs - Luis Buñuel - zuallererst sein
Name genannt werden. Die hohe Kunst seiner Kameraregie setzt den Star dieses
Films ins bestmögliche Licht: María Félix.
María Felix war von Ende der vierziger
bis Ende der sechziger Jahre einer der ganz großen Stars des lateinamerikanischen
Kinos, "La Doña",
wie die temperamentvolle Schönheit in ihrer mexikanischen Heimat ehrfürchtig
von ihren Fans genannt wurde, war "ewig wie eine Venus und die Schönheit
und die Liebe: ihre Schönheit, unsere Liebe" wie Guillermo Cabreras
schrieb. Nobelpreisträger Octavio Paz sagte über sie "Sie ist
frei wie der Wind, zerstreut die Wolken oder strahlt sie an mit den Blitzen
ihrer Augen." Frei und unabhängig war sie tatsächlich: in Hollywood
wollte sie nicht arbeiten, dafür war sie "nur"
Gesicht und Verkörperung des sogenannten "Goldenen Zeitalters"
des mexikanischen Kinos; das europäische Kino bereicherte sie mit Auftritten,
unter anderem in Jean Renoirs FRENCH CANCAN (1954). Sie war eine Diva, welche
die Leinwand mit ihrer Präsenz erfüllte, wie sonst nur die wenigen
wahren "Göttinnen der Leinwand" wie Greta Garbo, Grace Kelly
oder Marlene Dietrich, die die Filmgeschichte hervorgebracht hat. Deswegen war
es von entscheidender Bedeutung, dass María Félix in dem unterschätzten,
selten im Fernsehen gezeigten LA FIEBRE SUBE A EL PAO bei der "Berlinale"
auch "bigger than life" auf der Leinwand zu bewundern war.
Aus LA FIEBRE SUBE A EL PAO - seiner letzten
französisch-mexikanischen Koproduktion - spricht Buñuels tiefer
politischer Enthusiasmus, der ihn beispielsweise einst zu seinem Engagement
für die Republikaner im Spanischen Bürgerkrieg - etwa durch die Produktion
des Dokumentarfilms ESPAñA LEAL EN ARMAS -bewegte, sowie sein Hass auf
alle Arten von Tyrannei. Der Film spielt in einem imaginären karibischen
Land, auf der Insel Ojeda, dessen politische Geschichte scheinbar von autoritären
Regimen und Putschversuchen geprägt ist. Der Herrscher des Landes, Barreiro
hat sich, nachdem er einst als Revolutionsheld den Diktator des Landes stürzte,
selbst zu einem solchen entwickelt. Retrospektiv kann man natürlich Parallelen
zu Kuba ziehen, wo auf den Despoten Battista eine kommunistische Diktatur unter
Fidel Castro folgte. Aber die Dreharbeiten waren zu zeitnah zu der kubanischen
Revolution, so dass diese expliziten Bezüge von Buñuel bestimmt
nicht intendiert waren. Die vermeintlichen Verbrecher auf Ojeda, die Opponenten,
Verdächtigen und politischen Gefangenen, die das Regime als solche deklariert
hat, werden auf eine Gefängnisinsel geschickt. Die harte Arbeit unter der
tropischen Sonne, die die Gefangenen verrichten müssen, führt zumeist
zum Tod, aber auch für die Bewohner der Insel sind die Lebensbedingungen
hart. Sie fangen an sich zu wehren und ermorden den Gouverneur. Ramón
Vázquez (Gérad Philipe), zuvor loyaler Bürokrat und Sekretär
des Gouverneurs, entdeckt sein politisches Gewissen. Zusammen mit Inés
Rojas (María Félix), der Witwe seines Chefs, in die er sich verliebt
hat, schmiedet er Pläne, um selber Gouverneur zu werden und humanere Bedingungen
schaffen zu können. In seinem Idealismus verstrickt sich der "Sozialreformer"
Vázquez aber immer tiefer in politische Intrigen, er zaudert, geht Kompromisse
ein, arbeitet selbst "innerhalb des Systems", bis er selbst in Blut
watet, am Ende hat er zwar die Macht inne, aber vieles verloren. Auch sein wichtigstes
Ziel hat er nicht erreicht, im Gegenteil, er hat nur noch zu der Festigung der
Diktatur beigetragen.
LA FIEBRE SUBE A EL PAO oder LA FIÈVRE
MONTE À EL PAO, wie der Originaltitel des Films lautet, ist ein spannender
Politkrimi, ein eher untypischer Buñuel-Film (er trägt eher dessen
Wasserzeichen als dessen Handschrift), der aber umso mehr in der Tradition des
französischen Kinos verankert ist. Am Ende wird dessen Handlung allerdings
zu verfahren, die Unübersichtlichkeit, die hieraus resultiert, mag aber
auch teils an der "Sprachpluralität" gelegen haben, der man auf
der "Berlinale" beim Sehen des Films ausgesetzt war (französische
Originalsprache, englische Untertitel, spanische Schilder und Texttafeln innerhalb
der Handlung). Die schauspielerische Leistung des männlichen Hauptdarstellers,
Gérard Philipe, ist nicht durchgängig gut, seine letzten Auftritte
sind schon von seiner Krankheit (Leberkrebs) geprägt, an der er nur wenige
Monate nach Beendigung der Dreharbeiten verstarb. Hervorzuheben ist die quasi-dokumentarische
Exposition des Films und - noch einmal - die Kamera von Figueroa: seine Aufnahmen
schaffen die bedrückende Atmosphäre, die den ganzen Film durchzieht.
Ein surrealistisch anmutendes Bild des
Films bleibt in Erinnerung: die brennende schwarze Luxuslimousine in der Vázquez'
Geliebte Inés stirbt, könnte auch einem Gemälde Dalís
entstammen.
Sven Pötting
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: www.kinolatino.de
Für
ihn verkauf' ich mich
LA
FIEVRE MONTE A EL PAO
LOS
AMBICIOSOS
Das
Fieber steigt in El Pao
Frankreich
/ Mexiko - 1959 - 88 (Orig. 110) min. – schwarzweiß - Verleih: Prisma
- Erstaufführung: 30.9.1960/25.11.1974 DFF 1 - Produktionsfirma: Cité/Indus/Terra/Cormoran/Cinematográfica
Filmex S.A.
Regie:
Luis Buñuel
Buch:
Luis Buñuel, Louis Sapin, Luis Alcoriza, Charles Dorat
Vorlage:
nach einem Roman von Henri Castillou
Kamera:
Gabriel Figueroa
Musik:
Paul Misraki
Schnitt:
James Cuenet, Rafael López Ceballos
Darsteller:
Gérard
Philipe (Ramón Vásquez)
Maria
Félix (Inès Vargas)
Jean
Servais (Alejandro Gual)
Miguel
Angel Ferriz (Gouverneur Vargas)
Raúl
Dantés (García)
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