Yellow Submarine
In der Stadt meiner Geburt lebte ein alter Mann,
er war zur See gefahren und erzählte uns von seinem Leben im Land
der U-Boote.
Wir leben alle in einem gelben U-Boot, gelben U-Boot, gelben U-Boot.
So segelten wir der Sonne entgegen, bis zum grünen Meer,
und wir lebten unter den Wellen in unserem U-Boot.
Wir leben alle in einem gelben U-Boot, gelben U-Boot, gelben U-Boot.
Und wir leben ganz entspannt, wir haben was wir brauchen,
der Himmel blau und grün das Meer, in unserem gelben U-Boot.
Wir leben alle in einem gelben U-Boot, gelben U-Boot, gelben
U-Boot.
So singen kindlich die Beatles. Und das ist auch die Handlung des
Zeichentrickfilms, der jetzt wieder in die Kinos kommt. Er hat keinen
einheitlichen Starttermin, sondern geht wie eine Rockband auf Tour
durch die Städte. In überholter Digital-Version. Und begleitet von
einem Marketing-Feuerwerk: vom gelben Plastik-U-Boot über die
Videokassette bis zur DVD gibt es einiges zu kaufen, und der
Eurostar-Zug fährt im U-Boot-Dekor. Aber bevor sich der nostalgische
Beatlemaniac über derartige Kommerzauswüchse aufregt, sollte er sich
kurz die historischen Fakten vergegenwärtigen. Schon 1968 wurde
nämlich kritisiert, daß die fantastischen Vier an Kreativem lediglich
vier neue Titel beisteuerten - und einen kurzen, albernen Auftritt am
Schluß des Films. Nicht einmal die englischen Synchronstimmen sind
authentisch. Und die Idee, den pubertären Beatles-Filmen noch einen
Trickfilm nachzuschieben, kam von den Erfindern der Beatles-Cartoons
in amerikanischen Tageszeitungen, die schon seit '64 mit Liverpooler
Humor Kaufanreize schufen.
Im Film träumen sich die Sechziger aus dieser altbekannten grauen
und verwerteten Wirklichkeit heraus. Weil die Sgt. Peppers Lonely
Hearts Club Band im märchenhaften Pepperland von den bösen Blue
Meanies schockgefrostet wurde, müssen die Beatles einspringen. Wie
bei Lewis Carrolls Alice herrscht von nun an die Bildlogik des
Traums. Eines Traums, der hier sichtlich von den Zeitgenossen
Liechtensteins und Oldenburgs geträumt wird. Die Beatles reisen im
gelben U-Boot durch unbekannte Dimensionen. Schon diese Fahrt ins
gefährdete Hippiewunderland ist ein psychedelisches
Pop-Art-Spektakel. Zum Beispiel das Löchermeer, ein unendliches
Raster aus schwarzen Kreisen, Vasarely schwarz-weiß. Die Fab Four
steigen aus dem Boot und in die Löcher, so foppen sie sich
gegenseitig, denn hier ist die euklidische Geometrie außer Kraft.
Oben und unten, vorher und nachher, fort und da werden gründlich
durcheinander geworfen: wir nähern uns dem Reich der Phantasie.
Das wird dann im Lauf des Films mit Musik und Liebe gerettet, wie es
sich gehört. Yellow Submarine ist ein anderthalbstündiger Musik-Clip
mit Handlung. Die MTV-Epoche läßt er ästhetisch allemal zum
Rückschritt verblassen. Man sollte sich also die Gelegenheit nicht
entgehen lassen, diesen verspielten Kinderfilm für Erwachsene auf der
großen Leinwand anzuschauen. Mit zwei Einschränkungen: erstens ist
eine deutsche Synchronfassung im Umlauf, die es wohl zu meiden gilt.
Und zweitens ist die neue Abmischung in Dolby Digital mit Nachsicht
zu genießen. Da kommt es nämlich ärgerlicherweise schon einmal vor,
daß George Harrison hinter uns Leadgitarre spielt, während der Rest
vorne auf der Bühne steht. Abgesehen davon, daß die Lautstärke mir in
der Vorschau die Unterhosen aus, die Unterhosen ausgezogen hat.
Jakob Hesler
Diese Kritik ist zuerst erschienen in:
Yellow Submarine
George Dunning, UK 1968.