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Xizhao
- Das Badehaus
Zhang Yangs preisgekrönter
Film über eine Badeanstalt in Peking
Es zischt, es prickelt, es braust und saust, dass
es eine Wonne ist. Eigentlich, denken wir, kann so ein technisches Wunderwerk
nur aus Japan kommen oder aus einem Tati-Film. Doch da kennen wir die neuen
Chinesen schlecht. Die effektvolle High-Tech-Rundum-Dusche, unter der sich der
junge Da Ming wie ein Luxuskabriolet in der Waschanlage aufpolieren lässt,
steht nämlich in Chinas Sonderwirtschaftszone Shenzen.
Ganz anders die Badeanstalt, die der alte Liu in
Peking betreibt. Es ist ein traditionelles Badehaus mit dampfenden weiß
gekachelten Becken und Liegeecken aus dunklem Holz, in denen sich das durchweg
männliche Publikum Rücken- und Wadenfleisch kneten lässt oder
die Zeit mit Tratsch und Kartenspielen vertreibt. Ein beschaulicher, friedlicher
Ort. Einer, an dem die Zeit stehen geblieben ist: Unter 50 sind hier nur wenige,
darunter ein Tenor, der nur unter laufender Dusche seine Publikums-Hemmung überwinden
kann. Ein Ehemann, der sich vor seiner angeblich gewalttätigen Gattin flüchtet.
Und Er Ming, der Sohn des Inhabers, der trotz seiner sicher 30 Jahre ein großes
Kind geblieben ist und dem Vater zur Hand geht. Auch zur zupackenden Lösung
komplizierter emotionaler Krisenlagen hat er Talent. Behindert möchte man
den liebenswerten Wonneproppen wirklich nicht nennen. Nach der Arbeit joggen
Vater und Sohn gemeinsam durch den idyllischen Park, wo Damen mit riesigen Blütenblättern
chinesische Tanzgymnastik machen.
Liu hat noch einen zweiten Sohn. Das ist der Powerduscher
vom Anfang, der schon vor Jahren fortgezogen ist, um erfolgreich Geld und Karriere
zu machen. Jetzt kehrt er besuchsweise heim, weil er eine harmlose Postkarte
von Er Ming als Todesnachricht auffasste. Doch der Vater ist nicht nur recht
munter, er will sich auch noch längst nicht zur Ruhe setzen. Der Angereiste
in Anzug und Krawatte schaut mit neureicher Arroganz auf diese scheinbar zeitlose
Welt, wo in Tücher gewickelte alte Männer sich über vermeintliches
Ameiseneier-Doping von Kampf-Grillen namens Godzilla ereifern. Doch auch Vater
Liu lässt den Sohn spüren, wie wenig er von ihm hält. Der wollte
sowieso nur zwei Tage bleiben. Aber zunächst geht Er Ming durch seine Schuld
verloren. Dann soll das Badehaus mit dem ganzen Viertel drumherum für ein
Einkaufszentrum abgerissen werden. Da Ming bleibt erst mal. Langsam beginnen
auch bei ihm, Verständnis und Achtung vor Vater und Bruder zu wachsen.
Und Verantwortungsgefühl für ihr weiteres Wohlergehen.
Der Film Xizhao
- Das Badehaus, der schon 1999 von
der ersten unabhängigen chinesischen Filmproduktion Imar produziert wurde,
hat in seinen bisher sechs Jahren Lebenszeit über ein halbes Dutzend Preise
abgeräumt bei vielen wichtigen internationalen Festivals. Kein Wunder,
sind die Modernisierung und ihre Folgen für die traditionelle Lebenswelt
doch ein Thema, das global bewegt.
Erstaunlich schon eher, dass die Filmemacher selbst
von dieser Universalität und dem internationalen Erfolg überrascht
waren, wie sie in einem Interview berichten, das Augusta Palmer für www.indiewire.de
geführt hat. Denn im Unterschied zu anderen chinesischen Produktionen geht
es der 1997 gegründeten Imar Film programmatisch darum, mit jungen urbanen
Filmen für ein einheimisches Publikum auf dem chinesischen Markt selbst
platziert zu sein und nicht ausländisch finanzierte Filme für den
internationalen Festivalzirkus zu drehen. "Wir werden China nicht mit Hilfe
französischer Filmkritiker ändern", meint Produzent Peter Loehr.
Und mit seinen präzise dosierten Emotionen, der eingängigen Bildsprache
und den liebevoll skurrilen Nebenfiguren präsentiert sich Das Badehaus
ganz deutlich als Futter fürs - weltweite - Zuschauergemüt und nicht
für klügelnde Kritikerfedern. Dazu kommt eine Schauspielkunst, die
aus dem Besten der Pekinger Theaterwelt schöpft. Nur Jiang Wu als Er Ming
lässt mit Dauerlächeln und linkischer Herzigkeit manchmal vielleicht
ein bisschen zu sehr den Tom Hanks raushängen.
Regisseur Zhang Yang selbst, Jahrgang 1967, kommt
aus der Pekinger Untergrundmusikszene und hat mit seinem Debütspielfilm
Spicy Love Soup 1997
in China den ersten unabhängigen Box-Office-Hit gelandet. Xizhao ist sein Zweitling,
zwei weitere sind 2001 und 2005 schon gefolgt. Aber die sind im Westen bisher
nur auf Festivals gelaufen.
Silvia Hallensleben
Ein leicht sentimentales und herzerwärmendes
Familienstück aus China über die Verlustseite der Modernisierung.
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: epd Film
Xizhao
Xizhao
– Das Badehaus
China
1999. R: Zhang Yang. B: Liu Fen Dou, Zhang Yang, Huo Xin, Diao Yi-nan, Cai Xiang-jun.
P: Peter Loehr. K: Zhang Jian. Sch: Yang Hong-yu. M: Ye Xiao-gang. T: Lai Qi-zhen.
A: Tian Meng. Pg: Imar. V: Ventura. L: 92 Min. Da: Xu Zhu (Master Liu), Pu Cun-xin
(Da Ming), Jiang Wu (Er Ming), Zheng He (He Bing), Zhang Jin-hao (Hu Bei-bei),
Lao Lin (Li Ding), Lao Wu (Feng Shun).
Dt. Start: 5.1.2006
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