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Die
Unglaublichen
–
The Incredibles
Ein
Käfig voller Helden
Es
ist was faul im Comic-Universum. Anstelle von glubschäugigen Fischen und
hyperaktivem Spielzeug verirrt sich die Kreativ-Abteilung der Pixar-Studios,
ehemals unter herrschsüchtigem Disney-Regiment, in der Menschenwelt – oder
zumindest dem, was wir dafür halten. »Erwachsener« sei der
neue Trickfilm der „Finding
Nemo“-&-„Toy
Story“-Macher, eine Entwicklung, die doch eigentlich von Grund auf der avisierten
Zielgruppe entgegenläuft. Oder nicht?
Ein
Trugschluss, wie nicht nur der finanzielle Rekordumsatz – der sich im übrigen
nicht allein auf den konsumsüchtigen Nachwuchs stützt - sondern auch
die mitunter euphorische Begeisterung unabhängiger Kritiker beweist, denen
man in diesem Fall nicht so einfach den sentimentalen Trickfilm-Bonus unterschieben
konnte. Es hat sich einfach rumgesprochen, dieses Phänomen digitaler Welten
aus der Pixar-Schmiede, die einen Hit nach dem anderen produzieren und vor allem
eines im Auge behalten: gute Filme.
„The
Incredibles“ reiht sich nahtlos ein in jene Abfolge qualitativ hochwertiger
Unterhaltung, wobei dem aktuellen Projekt die kindliche Verspieltheit und emotionale
Magie fehlt, die aus „Nemo“ so etwas wie einen modernen Trickfilm-Klassiker
werden ließ. Regisseur Brad Bird gestaltet seine Welt als durchaus ernstzunehmende
Virtualität, der es auch nicht an bürokratischen Hürden mangelt,
um die Helden des Films – Superhelden an sich – an der Ausübung ihrer Pflicht
zu hindern. So fristet die Familie Parr, allesamt mit übernatürlichen
Fähigkeiten gesegnet, ein unglaublich durchschnittliches Leben, irgendwo
in einer unglaublich durchschnittlichen amerikanischen Kleinstadt.
Superhelden
haben ausgedient. Heroen wie Bob Parr alias Mr. Incredible werden nicht mehr
benötigt oder zumindest nicht mehr geduldet. Nicht weil die Welt ein heilsamerer
Ort geworden wäre, sondern weil eine gigantische Schadenersatzklage gegen
unzählige freiberufliche Superhelden die gesamte Justiz lahm legte und
das Leben der Weltenretter zum unkalkulierbaren finanziellen Risiko wurde. Superhelden?
Ab in den Ruhezustand. Auch Bob und seine Kleinfamilie unterliegt fortan incognito
dem Superhelden-Schutz-Programm, das den ehemals so beliebten Galionsfiguren
ein ganz normales, erschreckend gewöhnliches, unheimlich langweiliges Leben
ermöglicht. Bei einer Versicherung arbeitet er, Mr. Incredible, und alles
was es jetzt noch zu retten gilt ist der Familienfrieden.
Stilistisch
durchforstet der Film die 50er und 60er Jahre, überträgt das gesellschaftliche
Bild auf digitale Pixel, die völlig losgelöst zwischen Comic-Romantik
und James Bond, suburbanem Familienalltag und Rock ’n’ Roll nach dem Besonderen
suchen, nach Individualität inmitten repressiver Uniformität. Unterschwellig
platziert der Film seine subversive Botschaft, die auf ganz und gar wohltuende
Art auf die ‚Moral von der Geschichte’ verzichtet und doch auch in einer Familie
von Superhelden ihre Berechtigung findet. Es steht außer Frage, dass früher
oder später die alten Helden ihr Handwerk ergreifen müssen, denn das
Böse existiert noch immer, es schläft nur. Brad Bird funktioniert
die Familie zur kleinsten mobilen Kampfeinheit um, in dem er jedem Parr eine
individuelle Fähigkeit zugesteht, die aus den übermenschlichen Charakteren
jedoch auch liebenswerte Figuren macht. Darin liegt die Stärke des Films
und das Geheimnis seines Erfolgs.
Es
gilt gerade diese Individualität vor dem Bösewicht der Geschichte
zu schützen, der sich in altbekannter Manier erst aus der Zurückweisung
zum ‚Guten’ entwickelt. Syndrom nennt er sich, dieser brillante Giftzwerg, dessen
primäres Ziel es ist, totale Uniformität zu schaffen, ohne Superhelden
und all den besonderen Quatsch. Doch eines ist klar: Auch er kann Familie Parr
nicht nehmen, was sie sind und im Grunde immer waren: Unglaublich.
4,5
von 5 Sternen = 5 Sterne
Patrick
Joseph
Dieser
Text ist zuerst erschienen bei www.ciao.de
Die
Unglaublichen - The Incredibles
USA
2003 - Originaltitel: The Incredibles - Regie: Brad Bird - Darsteller: (Stimmen)
Markus Maria Profitlich, Katrin Fröhlich, Felicitas Woll, Marco Iannotta,
Kai Pflaume, Barbara Schöneberger, Herbert Feuerstein - Prädikat:
wertvoll - FSK: ab 6 - Länge: 115 min. - Start: 9.12.2004
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