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Uckermark
Schweigekünstler
Forum:
Volker Koepps etwas anderer Heimatfilm "Uckermark"
Ein
guter Held ist auch im Dokumentarfilm die Hauptsache. Beim Publikum kommen die
Helden noch besser im Doppelpack an. Auch Volker Koepp durfte das vor ein paar
Jahren erfahren, bei seinem bisher größten Publikums-Erfolg "Herr
Zwilling und Frau Zuckermann", dessen Dramaturgie wesentlich vom Zusammenspiel
des ungleichen Duos zehrte. Auch für "Uckermark" hat er wieder
ein Traumpaar gefunden, zwei ehemalige LPG-Bauern und Vereinigungsverlierer,
die sich vor der Kamera mit karger Lakonie die Kugeln zuspielen. Seinen dramaturgischen
Höhepunkt erreicht ihr Auftritt in einer minutenlangen und mit kunstvoller
Rhetorik durchgearbeiteten Verweigerung der Aussage.
Aber
dann reden sie doch: Die Sache ist unspektakulär, es geht um verweigerte
Entschädigungszahlungen. Und es ist der Kunstfertigkeit und dem Durchhaltevermögen
des Dokumentaristen zu danken, dass es zu solcher ausdauernden Nicht-Action
auf der Leinwand überhaupt kommen kann. Es ist aber auch Volker Koepps
filmische Redlichkeit, dass das tragikomische Paar in seinem Film nur am Rande
vorkommt. Schließlich geht es, wieder einmal bei Koepp, um eine ganze
Landschaft, die Uckermark, jenes dünnbesiedelte Hügelland zwischen
Müritz und Oder, wo Berliner ihr Wochenende verbringen, sonst aber nicht
viel passiert.
Ein
Heimatfilm also? Der Regisseur begrüßt sein Publikum mit zart verdrehten,
ländlich-volkstümlichen Klängen: als spielten slowakische Straßenmusikanten
unter einer deutschen Dorflinde zum Tanz auf. Ähnlich ist auch der Ton
des Films, wohlwollend, doch mit einem schrägen Lächeln um die Lippen.
Oder ist das nur unsere hilflose Reaktion auf das skurrile Nebeneinander von
absurden Beschäftigungs-Maßnahmen und den idealistischen Aufbau-Bemühungen
des rückkehrenden Landadels? Denn ein eigentlich schon abgeschlossen geglaubtes
Kapitel der Geschichte wird neu erzählt. Da sind die von Arnims, denen
vor der DDR-Bodenreform ein großer Teil der heutigen Schlossruinen samt
zugehörigen Ländereien gehörte: sympathische Leute, die nicht
als Eroberer anreisen, sondern mit einem Verantwortungsgefühl, das in diesen
Kreisen stillheimlich überlebt hat. Von Aufgaben ist die Rede, von der
inneren Beziehung des Einzelnen zu "seiner Landschaft", davon, alles
"wieder schön zu machen". Vom Familienvermächtnis auch.
Freundlich unheimliche Wesen, diese älteren Herrschaften, wie sie mit Bluse,
Blazer, Halstuch und unerschütterlichem Weltbild über den Acker stapfen,
um noch einmal etwas zu bewegen.
Nebenan
werden ehemalige Betonwerkerinnen über die Felder geschickt, um die - archäologischen
- Fundstücke danach im Bauwagen zu sortieren. Täten sie das nicht,
wären sie arbeitslos. Auch so sind es schon 20 Prozent. Und die neuen Gutsherren
brauchen kaum Arbeiter für die Galloway-Rinderzucht. Dennoch ist "Uckermark"
keine bittere Wende-Abrechnung. Koepp zeigt den Willen zum gemeinsamen Weiterkommen,
so bei einem anderen Herrn von Arnim, der gemeinsam mit der alten Belegschaft
ein Futtermischwerk betreibt. Von einem Sozialisten musste der 84-jährige
Aristokrat die Marktwirtschaft erlernen. "Eine Gegenwart gibt es nicht,
aber vielleicht eine Zukunft", sagt er.
Und
dann gibt es da noch jene Szene, in der der alte Arnim auf einen Punk trifft,
den er beherbergen will. Trotz gegenseitigem Wohlwollen reden beide nur aneinander
vorbei. Der Junge will seine Konflikte mit den Neonazis erzählen. Der Alte
versteht kein Wort und plädiert für Toleranz - gegenüber den
Langhaarigen. Eine prägnante Schluss-Sequenz. Koepp war sie vermutlich
zu pessimistisch. So geht der Film noch einige Minuten hin. Ohne sie wäre
es würziger gewesen.
Silvia
Hallensleben
Diese
Kritik ist zuerst erschienen im: Tagesspiegel
Uckermark
Deutschland
2002 - Regie: Volker Koepp - Darsteller: Fritz Marquardt - FSK: ohne Altersbeschränkung
- Länge: 105 min. - Start: 12.12.2002
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