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Shooting
Dogs
Zwischen Zynismus und Selbstbezichtigung
schwanken die Filme, die die westlichen Filmindustrien in den letzten Jahren
zum Thema Afrika beigesteuert haben. “Shooting Dogs” von Michael Caton-Jones
fällt in letztere Kategorie, mit ganz ungewöhnlichen Konsequenzen.
Caton-Jones’ Film ist nach Terry Georges “Hotel Ruanda” und Raoul Pecks “Sometimes in April” die dritte internationale
Großproduktion, die sich mit dem Völkermord in Ruanda im Frühjahr
1994 auseinandersetzt. Wo George und Peck ihre Geschichte aber durch einen afrikanischen
Protagonisten zu erzählen versuchten, wählt Caton-Jones in “Shooting
Dogs” wieder die weiße, westliche Perspektive. Der Film spielt in den
ersten Tagen des Genozids in der Ecole Technique Officielle, die von dem englischen
Geistlichen Vater Christopher (John Hurt) geleitet wird. Die Schule dient der
UN als Stützpunkt für ihre Blauhelm-Schutztruppen, deren Mandat darin
besteht, die anstehenden Friedensverhandlungen mit den Rebellen der Patriotischen
Front zu überwachen. Als das Flugzeug des ruandischen Präsidenten
abgeschossen wird, brechen im Land erste Unruhen aus. Über den staatlichen
Radiosender RTLM wird landesweit zum Massaker an der Tutsi-Minderheit aufgerufen.
Innerhalb weniger Stunden füllt sich die Ecole mit mehreren tausend Flüchtlingen.
Der desillusionierte Priester und der idealistische junge Lehrer Joe Connor
versuchen jeder auf seine Weise, den Menschen zu Hilfe zu kommen.
Der vermeintliche Nachteil von
“Shooting Dogs”, die problematische weiße Perspektive, erweist sich als
eigentliche Stärke des Films. Mehr noch als George mit “Hotel Ruanda” unterschlägt
Caton-Jones zwar die kolonialen Wurzeln des ethnischen Konflikts in Ruanda;
die Schuldfrage steht in “Shooting Dogs” dennoch im Mittelpunkt. Die Präsenz
der bewaffneten Blauhelme in der Ecole führt nochmals das fatale Scheitern
der internationalen Gemeinschaft vor Augen. Dominique Horwitz als belgischer
Befehlshaber der UN-Schutztruppen verkörpert diesen Typus des emphatischen
Technokraten. Die Absurdität seines politischen Mandats liegt in der Tatsache,
dass seine Leute zwar auf die streunenden Hunde, die vor den Toren der Ecole
die verwesenden Leichen fressen, schießen dürfen, nicht aber auf
die Urheber der Massaker selbst. In “Hotel Ruanda” erklärte Nick Nolte
das zögerliche Verhalten der UN noch zynisch: “Für die seid Ihr noch
weniger als Nigger,” sagte er zu Don Cheadle. “Ihr seid Afrikaner.” John Hurt ist
in “Shooting Dogs” die Stimme der Vernunft, die sich immer wieder gegen die
Befehlsgewalt der Soldaten erhebt. Aber auch er steht letztlich stellvertretend
für das westliche Scheitern. Dreißig Jahre hat er mit Hutus und Tutsis
gelebt. Als die Massaker beginnen, muss er erkennen, dass er immer ein Fremder
geblieben ist.
Als Kritik an der UN ist “Shooting
Dogs” weitaus schärfer als “Hotel Ruanda”. Aber noch viel interessanter
an Caton-Jones’ Film ist, wie er das westliche Selbstverständnis als Lenker
der afrikanischen Geschicke demontiert. Am Ende werden die letzten Weißen
unter dem Schutz der Blauhelme aus der Schule abgezogen. Die Afrikaner bleiben
schutzlos zurück. Weder die frommen Gebete des Priesters noch der gute
Wille des Lehrers sind imstande, die Fehler der Vergangenheit gutzumachen. Eine
unversöhnliche Sichtweise, aber wenigstens ohne den verlogenen Paternalismus,
den Filme wie “Der ewige Gärtner” oder “Jenseits der Grenzen” ausstellen.
Das schlechte Gewissen sucht Joe
Connor Jahre später noch einmal in Person des jungen Mädchens Marie
heim, die in der Ecole zurück gelassen wurde. Warum er sein Versprechen
gebrochen habe, will sie wissen, er wollte sie doch nie im Stich lassen. Er
habe einfach Angst gehabt, entgegnet Connor matt. Es gebe keine Entschuldigung
für sein Verhalten. Mehr als diese traurige Erkenntnis vermag auch “Shooting
Dogs” nicht zu leisten. Aber er versucht auch, einigen der Opfer wenigstens
ihre Identität zurückzugeben. Im Abspann werden die ruandischen Crew-Mitglieder
gewürdigt, die den Völkermord überlebt haben. Stellvertretend
für die 800 000, die den Macheten der Hutu zum Opfer fielen.
Andreas Busche
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: epd Film
Zu diesem
Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Shooting
Dogs
Großbritannien / Deutschland 2005 - Originaltitel: Beyond the Gates - Regie: Michael Caton-Jones - Darsteller: John Hurt, Hugh Dancy, Dominique Horwitz, Claire-Hope Ashitey, Louis Mahoney, Nicola Walker, Steve Toussaint - Länge: 114 min. - Start: 17.5.2007
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