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The
Rock – Fels der Entscheidung
Ein
Offizier von Rang und Namen (Ed Harris) – seine Karriere ließ ihn die
Tet-Offensive ebenso miterleben wie den Desert Storm (von zahlreichen Geheimmissionen
jenseits offizieller Verlautbarungen ganz abgesehen) – sucht Rache an den Vereinigten
Staaten, welche seinen im Dienst für die Nation dahingegangenen Kameraden
noch nicht mal ein offizielles Militärbegräbnis (von Entschädigungen
für die Hinterbliebenen ganz zu schweigen) haben zukommen lassen. Zu diesem
Zweck bringt er mit gleichgesinnten Soldaten mehrere mit tödlichen Chemikalien
bestückte Raketen in seinen Besitz, nimmt eine Gruppe Touristen auf der
legendären, nunmehr stillgelegten Gefängnisinsel Alcatraz zur Geisel,
um von dort aus die Raketen auf San Francisco zu richten. Seine Forderung: 100
Millionen Dollar, davon je eine Million als Entschädigung für 83 Familien,
den Rest für ihn zur freien Verfügung, und freies Geleit in ein Land
ohne Auslieferungsverfahren für ihn und seine Kameraden. Die Regierung
ruft den Chemikalienexperten Goodspeed (Nicolas Cage) auf den Plan, der alleine
die Raketen entschärfen könnte. Um die Insel überhaupt einnehmen
zu können, bedarf es indes der Dienste eines seit Jahr und Tag namenlos
in Gewahrsam der us-amerikanischen Regierung einsitzenden britischen Geheimdienstagenten
(Sean Connery), der einzige, dem in der Geschichte von Alcatraz je die Flucht
von dort gelang. Der zeigt sich, aus naheliegenden Gründen, nicht unbedingt
kooperationswillig, vielmehr ist er an einer möglichst bedingungslos wiedererlangten
Freiheit interessiert. Unterdessen verrinnt die knappe Zeit bis zum Ende des
Ultimatums: 24 Stunden nach Einnahme der Gefängnisinsel sollen die ersten
todbringenden Raketen abgefeuert werden ...
The
Rock
lässt sich umstandslos als höchst gelungener Vertreter des typischen
Blockbuster-Kinos der 90er Jahre einsortieren. Seine Ziele erreicht er ohne
weiteres mit Bravour. Diese mögen, im Sinne eines künstlerisch avancierten
Kinos, nicht hoch angesetzt sein, doch besitzen auch sie, in der Tradition wiederum
einer Geschichte des Kinos als Spielfeld für neue und vor allem angewandte
Technologien, Gültigkeit. Nun setzen viele Regisseure (und noch mehr Filme)
auf die Mischung einer dynamisch angehenden Geschichte mit viel technologischem
Rabatz, doch ist es eben vor allem immer wieder das Team Bay/Bruckheimer, das
nicht nur die nötigen finanziellen Mittel, sondern auch das nötige
Wissen um diese Ader des Kinobetriebs mitbringt, um solchen (ebenfalls an sich
nicht zu gering einzuschätzenden) Ansprüchen voll und ganz zu entsprechen.
Hier erweist sich Kommerzialität ausnahmsweise als unbedingter Hauptgewinn:
Während die unzähligen Actionklopper, die direct to video in die Filmwelt
geblasen werden, für gewöhnlich an mehreren Stellen kranken – sei
es ein für diese Ansprüche noch mangelhaft konstruierter narrativer
Rahmen oder aber sichtliche handwerkliche wie finanzielle Mängel in der
Gestaltung der Hauptattraktionen -, stellt ein Film wie The
Rock,
natürlich noch bis in Detail aus kulturindustriellen Überlegungen
heraus konzipiert, ein in jeder Hinsicht perfektes Paket dar, das sein Publikum
immerhin in jeder Hinsicht zufrieden zu stellen vermag. Wenn schon Action-Blockbusterkino
– ein Kino also, das seine Grandezza vor allem im tadellosen Handwerk entwickelt
-, dann auf diese Weise, wo das Gefüge aus Charakterentwicklungen, dem
grundlegenden Szenario und die darauf abhebende Action ein wohlaustariertes
Gesamtergebnis zeitigen.
Dabei
steht The
Rock
auch deutlich in einer Tradition, wie sie das Autokino der 50er und 60er Jahre
mitbegründete. Eine reißerische, sensationalistische Geschichte,
die sich unter Rückgriff auf vulgärstmögliches Wissenschaftsbla
begründet, einigermaßen im Zweidimensionalen verhaften bleibende
Figuren und ein deutliches Augenmerk auf strukturell Jahrmarktsattraktion entsprechender
Sensationsinseln innerhalb des narrativen Gefüges, das selbst nur den möglichst
flexiblen Rahmen eines solchen Zwecken dienliches Ablaufprogramms stellt. Es
ist von daher kein Zufall, dass in Armageddon -
ebenfalls von Bay/Bruckheimer inszeniert (und hierzulande, wo man seit jeher
mit allzu profanen Gütern der Unterhaltungskultur seine dünkelhaften
Reserven hat, ebenfalls belächelt) – die Kraterlandschaft des Kometen,
der die Erde bedroht, einer modernen Version einer Planetenlandschaft aus einem
beliebigen Science Fiction Reißer aus den Hallen der American International
Pictures, jener legendären B-Movie-Schmiede von Samuel Arkoff, wo auch
Roger Corman seine ersten Gehversuche wagte, entspricht, wie es ebenso wenig
vom Zufall bestimmt ist, dass der MacGuffin in The
Rock,
die beinahe schon legendär tödliche Chemikalie in den Raketen, schummrig-grün
glitzert und in kleinen, beinahe magisch anmutenden Kugeln gelagert wird, die
sich nur mit bedeutungsschwangerer Geste den Raketen wieder entnehmen lassen.
Hier trifft die Welt aus Vintage Comics und Autokino im technologisch aufgemotzten
Rahmen des 90er Jahre Blockbusterkinos zusammen und nur von dieser Perspektive
aus lassen sich die (meisten) Filme von Bay/Bruckheimer adäquat verstehen
(und genau deshalb sind auch die Vorwürfe eines übertriebenen Patriotismus
in deren Filmen so dermaßen abgehangen; zwar mag er attestierbar sein,
doch ist dies die bequemste Haltung, die man als Kritiker aus der Zunft alteuropäischer
Vernunftsheischerei einnehmen kann: sich am einen schon fast schmerzhaft anspringenden
Offensichtlichsten aufhalten, um sich anhand dessen als weitsichtig zu gerieren,
während man doch nur zu vertuschen gedenkt, dass hinter das Offensichtlichste
einen Blick zu werfen die eigene Perspektive einem vor lauter Dünkel und
Selbstzufriedenheit schon gar nicht mehr gestattet).
Die
Filme von Bay/Bruckheimer mögen künstlerisch kaum weitsichtigen Charakter
haben. Sie gehören keiner Tradition eines Kinos an, das etwas über
die Welt und den Menschen aussagen will (allenfalls auf zweiter Ebene und auch
dann nur über den Menschen im Medien- und Zeichenpark des ausgehenden 20.
Jahrhunderts). Aus ihnen etwas zu lernen hieße vor der Komplexität
der Welt zu kapitulieren (wie es im Umkehrschluss dasselbe hieße, sie
als Hauptschuldige einer allgemeinen Verdummung anzuklagen). Aber sie bedienen
einen, meiner Ansicht nach höchst legitimen, Wunsch (auch) nach einem Kino
der technologischen Möglichkeiten und bieten diesem einen Rahmen, in dem
es sich auf beste, weil befreiteste Weise entfalten kann. Ein solches Kino in
Ausschließlichkeit wäre die Hölle auf Erden, aber von Zeit zu
Zeit in guten Dosen verabreicht: Ja bitte, sehr gerne.
Thomas
Groh
Dieser
Text ist zuerst erschienen im:
The
Rock - Fels der Entscheidung
THE
ROCK
The
Rock - Entscheidung auf Alcatraz
USA
- 1995 - 136 min. – Scope - FSK: ab 16; feiertagsfrei (ungek.18) - Prädikat:
wertvoll - Verleih: Buena Vista, Hollywood Pict. (Buena Vista; gek.und ungek.Fass.)
(Video) - Erstaufführung: 11.7.1996/20.12.1996 Video - Fd-Nummer: 32033
- Produktionsfirma: Hollywood Pictures - Produktion: Don Simpson, Jerry Bruckheimer
Regie:
Michael Bay
Buch:
David Weisberg, Douglas S. Cook, Mark Rosner
Kamera:
John Schwartzman
Musik:
Nick Glennie-Smith, Hans Zimmer
Schnitt:
Richard Francis-Bruce
Darsteller:
Sean
Connery (Patrick Mason)
Nicolas
Cage (Stanley Goodspeed)
Ed
Harris (General Francis X. Hummel)
Michael
Biehn (Charles Anderson)
William
Forsythe (Eddie Paxton)
David
Morse (Major Tom Baxter)
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