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Night
of the Living Dead
Von
Menschen und Untoten
Ein
abgelegener Friedhof, irgendwo in der Nähe einer amerikanischen Kleinstadt.
Die Geschwister Johnny (Russell Streiner) und Barbra (Judith O’Dea) wollen zum
Grab ihres Vaters. Johnny ist gut drauf. Er erinnert seine Schwester an ein
Spiel aus der Kindheit. Johnny rief dabei zu Barbra: „Sie kommen, um dich zu
holen.“ Dann erscheint tatsächlich ein merkwürdiger Mann auf dem Friedhof.
Er geht anders als ein „normaler“ Mensch und er sieht blass aus. „Hier ist einer
von ihnen“, ruft Johnny, noch immer seine Späße treibend. Kurz darauf
ist Johnny tot, nachdem er seiner Schwester helfen wollte, als der Unbekannte
Barbra angegriffen hatte. In panischer Angst rennt Barbra davon und kommt zu
einem einsam gelegenen Haus.
So
beginnt George A. Romeros Horror-Klassiker aus dem Jahr 1968, der das Genre
einschneidend verändern sollte. Diesem Film folgten später „Dawn of
the Dead“ (1978, hierzulande als „Zombie“ bekannt), dessen Remake derzeit in
den Kinos läuft, und „Day of the Dead“ (1985, „Zombie 2“). Alle drei Filme
handeln von der Bedrohung der (amerikanischen) Gesellschaft durch sog. Untote,
Tote, die sich plötzlich wieder bewegen, Menschen anfallen und sich dadurch
sprunghaft vermehren. Allen drei Filmen gemeinsam ist auch eine Geschichte,
in der eine überschaubare Anzahl von Menschen sich durch verschiedene Methoden
gegen die Untoten zur Wehr setzen. Sie verbarrikadieren sich und geraten angesichts
der Überzahl der Untoten in eine klaustrophobische Situation.
In
dem einsamen Haus trifft Barbra auf den durchreisenden Ben (Duane Jones). Starr
vor Angst kann sie ihm nicht einmal erzählen, was auf dem Friedhof passiert
ist. Sie sitzt auf einer Couch, panisch, und ist im Begriff, den Verstand zu
verlieren. Ben behält einen kühlen Kopf. Er verbarrikadiert Fenster
und Türen mit Holzlatten. Dann tauchen aus dem Keller plötzlich das
Ehepaar Harry und Helen Cooper (Karl Hardman, Marilyn Eastman) und Tom (Keith
Wayne) und Judy (Judith Ridley) auf, vier weitere Überlebende. Im Keller
liegt die verletzte Tochter der Coopers, Kareen (Kyra Schon).
Ben
will, dass die vier im Erdgeschoss bleiben, um ihm bei der Abwehr der Untoten
zu helfen. Harry allerdings meint, im Keller seien sie sicherer. Es kommt zum
Streit zwischen Harry und Ben, bei dem Tom letztlich Ben unterstützt. Er
und Judy wollen versuchen, den vor dem Haus stehenden Truck Bens startklar zu
machen. Doch dann passiert ein Unglück ...
„Night
of the Living Dead“ ist nicht „einfach“ ein Horrorfilm. Die klaustrophobische
Atmosphäre des Films entsteht aus einer Gefahr, die nicht näher erklärt
wird. Die Untoten, weit davon entfernt, mit Intelligenz und / oder Skrupellosigkeit
wie eine feindliche Armee oder auch Vampire gegen die immer weniger werdenden
Menschen vorzugehen, folgen einer Art unbewusstem Trieb. Sie staksen durch die
Landschaft, und überall, wo sie auf Menschen treffen, verfolgen sie sie,
nicht als Wesen mit Verstand, sondern eher wie Viren, die alles befallen, was
ihnen „unter die Räder kommt“. Das Fernsehen verkündet zwar eine Theorie,
nach der die Untoten durch Strahlung eines Gesteins, das von der Venus mitgebracht
wurde, entstanden seien. Doch dies spielt letztendlich für die weitere
Entwicklung keine Rolle.
Die
Überlebenden sehen sich einer Gefahr gegenüber, die sie nicht erklären
können. Die Untoten sind Personifizierung von Ängsten, auch Todesängsten,
die rasend schnell die gesamte Gesellschaft befallen. Obwohl in ihren Bewegungen
langsam, entfalten sie ihre Wirkung dadurch, dass sie sich rasend schnell vermehren.
Jeder, der von ihnen angebissen wird, wird seinerseits Untoter.
Doch
noch etwas anderes steht im Zentrum des Geschehens. Die Überlebenden im
Haus können sich nicht einigen, wie sie der Gefahr entkommen können.
Während Ben einen kühlen Kopf behält, schnell reagiert und alle
möglichen Vorsichtsmaßnahmen ergreift, sitzt Barbra wie gelähmt
auf einem Sofa im Haus, unfähig, irgend etwas zu tun. Und Harry Cooper
entpuppt sich als Feigling und Egoist, der letztendlich nur sein eigenes Leben
retten will. In einem übertragenen Sinn ist „Night of the Living Dead“
somit auch ein visuelles und erzählerisches Gegenstück zu allen (amerikanischen)
Filmen, in denen eine kleine oder auch größere Gruppe von mehr oder
weniger heldenhaften Menschen eine (tödliche) Gefahr besiegen und die Gesellschaft
samt ihrer Institutionen, vor allem der Familie, retten. In
„Night of the Living Dead“ ist alles ganz anders.
Die
Kinder richten die Eltern. Die kleine Karen ist bereits Opfer der Untoten und
fällt erst ihren Vater, dann ihre Mutter an. Keiner außer Ben überlebt.
Er verbarrikadiert sich im Keller, und als er den Eindruck hat, die Untoten
seien abgezogen, tritt er vor das Haus, sieht sich vorsichtig um und wird von
den Gehilfen des Sheriffs (George Kosana) für einen Untoten gehalten, erschossen
und mit den anderen Untoten auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Die Ironie dieser
Schlussszene liegt weniger darin, dass Ben Schwarzer ist. Eine Interpretation
in diese Richtung scheitert schon daran, dass der Sheriff und seine Gehilfen
wirklich meinen, einen weiteren Untoten vor sich zu haben. Die Ironie liegt
eher darin, dass Ben, der einzige, der wirklich Mut und Verstand bis zum Schluss
bewiesen hatte, nun selbst Opfer nicht der Untoten, sondern der Menschen wird.
Die
bittere Ironie des Films ist eine, die sich aus – im Gegensatz etwa zum Western
– zwei ungewöhnlichen Faktoren speist: Eine Gefahr, die rational nicht
erklärt wird bzw. erklärt werden kann, eine Gefahr, die für Urängste
steht. Und andererseits eine Gesellschaft, in der der wirkliche Held, Ben, für
seinen Mut bezahlen muss, während die Behörden am Schluss nur noch
„aufräumen“.
Romero
drehte einen Low-Budget-Film, war verantwortlich für Schnitt und Photographie
und erreichte – nebst der passenden Musik von Scott Vladimir Licina – mit geringen
Mitteln große Wirkung. In Schwarz-Weiß gedreht entfaltet Romero
eine düstere, kalte Atmosphäre, indem er sich auf die konkrete Situation
vollständig konzentriert: keine Subplots, keine visuellen Ausschweifungen.
Selbst die Untoten werden nicht mit zusätzlichen Effekten zu Über-Monstern
erklärt, im Gegenteil, sie erscheinen eher als zwar lebensgefährliche,
nichtsdestotrotz aber bemitleidenswerte Kreaturen, die einer Gesellschaft entstammen,
die sie – welchen Grund es auch immer haben mag – selbst produziert hat.
P.S.
Es gibt mehrere Schnittfassungen dieses Films. Auf der DVD der „Marketing Film“
befindet sich eine 96-Minuten-Fassung, bei der einige Szenen im Original belassen
wurden, da es keine vollständige deutsche Sprachfassung zu geben scheint.
Wertung:
10 von 10 Punkten.
Prädikat:
Wertvoll.
Ulrich
Behrens
Diese
Kritik ist zuerst erschienen bei ciao.de – bis sie dort gelöscht wurde...
Zu
diesem Film gibt’s im archiv
der
filmzentrale mehrere Kritiken
Die
Nacht der lebenden Toten
(Night
of the Living Dead)
USA
1968, 96 Minuten [FSK 16]
Regie:
George A. Romero
Drehbuch:
George A. Romero
Musik:
Scott Vladimir Licina
Director
of Photography: George A. Romero
Schnitt:
George A. Romero, John A. Russo
Darsteller:
Duane Jones (Ben), Judith O’Dea (Barbra), Karl Hardman (Harry Cooper), Marilyn
Eastman (Helen Cooper), Keith Wayne (Tom), Judith Ridley (Judy), Kyra Schon
(Kareen Cooper), George Kosana (Sheriff McClelland), Russell Streiner (Johnny)
Internet
Movie Database: http://german.imdb.com/title/tt0063350
©
Ulrich Behrens 2004
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