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Die nackte Kanone
“Well, when I see five weirdos dressed in togas, stabbing
a man in the middle of the park in front of a full view of 100 people, I shoot
the bastards, that's my policy!” –“That was a Shakespeare In The Park Production
of Julius Caesar, you moron! You killed five actors! Good ones!“
Frank Drebin (Leslie Nielsen), Polizist bei der Spezialeinheit,
„einer speziellen Spezialeinheit der Spezialpolizei“ die zum Großteil
aus grenzdebilen Kindsköpfen besteht, was ihn ganz und gar nicht ausschließt,
ist gerade aus einem Urlaub im Nahen Osten, bei dem er ganz nebenbei und ohne
nennenswerte Probleme ein gemütliches Terroristen-Kaffekränzchen sprengen
konnte und u.a. Gaddafi, Arafat und Gorbatschow aufs Kreuz legte, nach L.A.
zurück gekehrt. Sein Kumpel Ed (George Kennedy), sichtbar ein Gourmand,
holt ihn vom Flughafen ab und hat ihm Einiges zu berichten. Drebin steht nun
vor einem Scherbenhaufen. Seine Frau hat ihn wegen ihres jüngeren Liebhabers
verlassen und Kollege und Freund Nordberg (sichtlich nicht wirklich ein Schauspieler:
O.J. Simpson) wurde während einer Undercover-Ermittlung im Drogen-Milieu
auf dem Schiff „I LUV YOU“ des einflussreichen Geschäftsmannes Vincent
Ludwig (Ricardo Montalban) übel zugerichtet.
Nachdem dieser bei einem Besuch Drebins gründlich
verhört, Verzeihung, verstört wird (u.a. geben ein unbezahlbarer Kugelschreiber
des japanischen Kaisers Hirohito und ein Kampffisch den Geist auf), setzt Ludwig
seine überaus attraktive Sekretärin Jane (Priscilla Presley) auf seinen
Widersacher an, was die ganze Angelegenheit weiter kompliziert (oder simplifiziert?).
Die beiden einsamen Seelen verlieben sich. Von einer gefährlichen Mixtur
aus Naivität und Verbohrtheit getrieben, ermittelt Drebin weiter, wagt
einen Einbruch und entdeckt in Ludwigs luxuriösem Büro einen schriftlichen
Beweis für eine perfide kriminelle Schandtat: Queen Elizabeth II. (Jeanette
Charles, ihrem realen Vorbild durchaus ähnlich) soll während ihres
Besuches in L.A. einem Attentat zum Opfer fallen. Durch einen für ihn üblichen
dummen Zufall verbrennt Drebin das Beweisstück, setzt das gesamte Großraumbüro
in Brand, zerstört einen Großteil Ludwigs sündhaft teurer Gemälde
und Vasen, flieht aus dem Fenster und belästigt eine Nachbarin mit einem
Beton–Phallus. Nachdem er zuvor bereits einen (missglückten) Anschlag auf
Nordberg verüben ließ, verliert Drebins Erzfeind nun endgültig
die Geduld. Der Quälgeist soll sterben...
Beschäftigen wir uns zunächst mit dem Offensichtlichen.
Es mag vielleicht nicht unbedingt clever erscheinen, einen Film in seiner Rezension
so früh mit Lob zu überschütten, aber warum lange um den heißen
Brei herumreden? „Die Nackte Kanone“ gehört definitiv zu den lustigsten
Filmen, die je gedreht wurden. Würde man den Autor dieser Zeilen einer
chinesischen Wasserfolter unterziehen und, was weitaus schlimmer ist, parallel
dazu zwingen, die komplette Diskographie von Dieter Bohlen zu hören, er
bliebe bei seiner Meinung. ZAZ (Zucker, Abrahams, Zucker, an Pat Proft, den
armen Kerl, hat mal wieder keiner gedacht) kennen kein Erbarmen mit den Lachmuskeln
des Zuschauers, da werden alle erdenklichen Mittel ohne Gnade angewendet. Von
herrlich altmodischem Slapstick (die Verwüstung von Ludwigs Büro),
grotesk übersteigerten Situationen (Nordbergs Attentäter kracht in
einen beladenen Truck, ein Panzerfahrzeug und schließlich in eine Feuerwerksfabrik!)
Buchstabendrehern ( „Tell Tod, äh, toll, Ted!“), patentiert sinnfreien
Konversationen („Haben Sie nicht Angst, dass Ihre Kanone einmal los geht?“ –
„Nein, nicht mehr, jetzt denke ich einfach an Baseball.“), bis zu die Peinlichkeitsgrenzen
auslotenden Situationen (zumindest für eine Mainstream-Komödie A.D.
1988!) wie Drebins sich an eine Pressekonferenz anschließender Toilettenbesuch,
bei dem das vornehme Saalpublikum aufgrund eines angelassenen Mikrofons Drebins
Wasserlassen und ausgiebiger Blähungen lauschen muss, reicht die ZAZ-Palette
der Komik. Gekrönt wird das Ganze von Leslie Nielsens präziser „deadpan“-Performance.
An manchen Stellen wirkt er fast so, als würde er versuchen, William Shatner
zu imitieren, der eigentlich auf dem Weg zum „T.J. Hooker“-Set war, dann aber
zunächst dem nächsten Buffet oberste Priorität erachtete, sich
nun ins falsche Studio verirrte und auf dem Weg eine ganze Packung Valium zu
sich nahm. Nielsens stoische Ernsthaftigkeit steht in völligem Gegensatz
zu dem hirnerweichenden Nonsens, den er von sich geben muss, und gerade diese
Art ist es, die den Film so gut funktionieren lässt.
Unser Protagonist ist ein aufrechter Polizist, auch wenn
er grenzenlos verblödet ist und um sich herum ein fürchterliches Chaos
hinterlässt. Wir lachen mit ihm, nicht über ihn. Er ist kein Clown,
stattdessen verkörpert er eine Menge an menschlichen Schwächen, die
ihn aber letztlich auch sehr menschlich und sympathisch machen, im Gegensatz
zu ikonenhaften, unantastbaren Figuren wie „Dirty Harry“, dem titelgebenden Helden aus Don Siegels Film (1971)
aus dem beispielsweise ein Dialog fast wörtlich zitiert und dadurch gründlich
veralbert wird, was zudem zu einem anderem Aspekt des Films führt, nämlich
seine Funktion als Parodie (griech. „Gegengesang“) auf das Genre des Polizeifilms
und, wie gerade erwähnt, einzelne Filme dieser Gattung.
Doch was genau ist ein so genannter „Polizeifilm“? Wer
dieses Wissen schon erworben hat, kann diesen Abschnitt getrost überfliegen.
Es handelt sich hierbei um ein aktionsbetontes Subgenre des Kriminalfilms, wobei
selbstverständlich ein Polizist und seine Ermittlungen, einen schwerwiegenden
Kriminalfall betreffend, im Mittelpunkt der Handlung stehen. Im amerikanischen
Kino der 50er Jahre liegen seine Ursprünge, vor allem natürlich im
Film noir, der zuerst die mit tödlichen Gefahren aufwartende Großstadt
als Revier des Polizisten etablierte (z.B. in „Heißes Eisen“ des deutschen
Regisseurs Fritz Lang von 1953). Der abwechslungsreiche Alltag
der Polizisten ermöglichte es der Unterhaltungsindustrie, eine große
Menge Themen in ihre Produkte einzubringen, was bereits in den frühen Tagen
des Fernsehens zur Entwicklung von Polizeiserien führte, z.B. „Chicago
1930“(1959-63), deren Tradition auch noch heutigen Fernsehen deutlich spürbar
ist. Genretypisch ist sehr häufig eine Parallelmontage protagonistischer
und antagonistischer Aktionen, was nicht selten zu einem spektakulären
Showdown, der eindeutig vom Western geprägt ist, führt. Es ist daher
kein Zufall, dass der Polizeifilm als „Großstadtwestern“ bezeichnet wird.
Seiner Trivialität entsprechend sind die Verbrecher meistens relativ simpel
charakterisiert, sie werden oft zu Schießbudenfiguren oder nehmen regelrecht
damönische Züge an, so dass Selbstjustiz der einzige Ausweg zu sein
scheint.
Besonders in den späten 60ern und den 70er Jahren
wurde die Figur des Antihelden (z.B. in „Dirty Harry“, „French Connection 1&2“) immens populär. Zwar sollte man eine Verallgemeinerung
vermeiden, diese Figuren besitzen dennoch einige generelle Gemeinsamkeiten.
Der Protagonist bekommt zunehmend tragische Züge; meistens ist er beziehunsunfähig,
verfällt vereinzelt, wie Gene Hackmans Jimmy Doyle, wenn auch unfreiwillig,
dem Drogenkonsum (im Gegensatz zu Frank Drebin, der sich lediglich vor dem Schlafengehen
ein Glas Schlummifix gönnt!) und wird von selbstzerstörerischer Wut getrieben. Die Grenzen zwischen Gut und Böse verwischen zunehmend.
Wie jedermann gut erkennen dürfte, ist der Polizeifilm
aufgrund seiner standardisierten Elemente wie geschaffen für eine gründliche
Parodie, da diese eben Standardsituationen aufgreift, übersteigert und
mit eigenen, skurrilen Einfällen - beispielsweise solchen, die sich auf
Alltägliches im menschlichen Leben beziehen, was für gewöhnlich
in den meisten Genrefilmen ausgespart wird (oder haben Sie schon häufig
gesehen, wie in einem üblichen Polizeifilm der Kommissar dringend aufs
stille Örtchen muss?) - versieht. Auf andere Genres wie das Melodram, den
Western und den Horrorfilm trifft dies ebenso zu. In der Filmgeschichte kam
es bereits früh zu der Entstehung von Parodien. Noch vor den Marx Brothers,
Laurel und Hardy und etlichen anderen drehte Buster Keaton im Jahre 1925 die
Western-Parodie „Der Cowboy“. Andere bekannte Beispiele sind beispielsweise
„Tanz der Vampire“(1967) von Roman Polanski und diverse Filme von Mel Brooks,
wie „Frankenstein Junior“(1974), „Spaceballs“(1987), übrigens mit Leslie
Nielsen in der Hauptrolle, „Dracula -Tot, aber glücklich“(1995). Populär
waren auch die „Airplane“-Filme des ZAZ-Teams, die 1980 und 1982 entstanden,
Persiflagen auf die unzählbaren und definitiv unsäglichen „Airport“-Filme.
Die frühen ZAZ-Filme sind jedoch rückblickend besser als Fingerübung
zu sehen, da viele Gags einfach nicht zünden wollen. Mitte der 80er folgte
dann die leider erfolglose Serie „Police Squad“ (1982), die letztendlich die
Vorlage für „Die Nackte Kanone“ (1988) und die beiden ebenfalls gelungenen
Fortsetzungen „Die Nackte Kanone 2 ½“ (1991) und „Die Nackte Kanone 33
1/3“ (1994) lieferte.
Doch was ist es, was diesen Film zu einer gelungenen
Parodie macht? Es ist vor allem die Kenntnis der Autoren und der Regie, was
das Objekt des Spotts betrifft. Dies beginnt bereits beim Vorspann, der anfangs
einem klassischen Polizeifilm entnommen zu sein scheint, spätestens jedoch
ins Wahnwitzige kippt, wenn der Zuschauer erkennt, wohin der Weg des Polizeiwagens
führt. Bereits zu diesem Zeitpunkt fällt die sowohl als liebevolle
Hommage als auch hemmungslose Verballhornung einzuschätzende Musik von
Ira Newborn auf, die die Szenen herrlich übertrieben untermalt. In der
Figur des Frank Drebin finden wir schließlich etliche Bezüge zu den
oben erwähnten Antihelden. Harry „Dirty Harry“ Callahan kam nie aus San
Francisco heraus, Drebin jedoch legt sich bereits während der Pre-Credit-Sequenz
furchtlos mit der Creme de la Creme des internationalen Terrorismus an. Desweiteren,
so erfahren wir, erschoß er einmal völlig kaltschnäuzig fünf
Schauspieler einer „Shakespeare im Park“-Darbietung, die gemäß ihrer
Regieanweisung Julius Cäsar „ermordeten“. Bei seiner Rechtfertigung benutzt
er exakt die gleiche Sprachfloskel, die Calahan einst benutzte: „That’s my policy!“.
Filmkenner ringen da natürlich vor Lachen um Luft. Übertroffen wird
dies lediglich im zweiten Teil der Reihe, in dem ein stolzer Drebin vom damaligen
Präsidenten George Bush Sr. eine Auszeichnung für die „Erschießung
seines 1000. Drogendealers“ erhält, jedoch lässig gesteht, dass er
die letzten beiden versehentlich mit dem Wagen überfuhr. Diese Ehrung ist
allerdings eine Ausnahme. Wie seine
Vorbilder bekommt Drebin meistens Ärger mit seinen Vorgesetzten, er ist
ein großer Junge, ein Kind im Manne, das ernsthafte Probleme hat, aber
letztendlich ist der Erfolg auf seiner Seite und das ist es ja, was zählt.
Im wirklichen Leben und, in noch extremerer Form, in der Traumwelt Hollywoods.
Da darf natürlich auch die obligatorische Autojagd nicht fehlen, die allerdings
noch ein wenig destruktiver ausfällt als beispielsweise in „Bullitt“(1968).
Denn Drebin ist ja dermaßen mit einer unnachahmlichen Schusseligkeit gestraft,
die ihn in Situationen führt, die so schreiend komisch sind, dass man sich
diesen Film immer wieder anschauen kann. Auch lassen sich immer wieder aufs
Neue Details, etwa im Bildhintergrund, entdecken, die zuvor, auch beim 10. Anschauen,
bisher verborgen geblieben waren. Die Fortsetzungen fallen qualitativ leider
etwas ab, was vor allem damit zusammenhängt, dass die Filmzitate Überhand
gewinnen. Bezog sich der Erstling vornehmlich auf das Kriminalfilmgenre, änderte
sich das später grundlegend. Etliche populäre Filme der 70er, 80er
oder frühen 90er Jahre werden durch den Kakao gezogen. Besonders fällt
dies im dritten Teil auf. So werden u.a. „Die Unbestechlichen“
(oder „Panzerkreuzer Potemkin“, je nach Sichtweise), „Nur Samstag Nacht“, „Flucht von Alcatraz“,
„Jurassic
Park“, „Krieg der Sterne“
und „Thelma und Louise“ parodiert. Keine Frage, auch dieser Film ist sehr lustig,
aber im Nachhinein wird man doch nicht den faden Beigeschmack der Beliebigkeit
und der Anbiederung an den Massengeschmack los, was auch aber mit der Welle
der Plagiate von stark schwankender Qualität zusammenhängt, die diese
Masche relativ schnell ausreizten , z.B. „Loaded Weapon 1“ und die „Scary Movie“-Reihe“,
bei dessen zweitem Sequel übrigens ein gewisser David Zucker Regie führte.
Über die etlichen Versuche Leslie Nielsens, einem ehemaligen B-Movie-Schauspieler,
der in Filmen wie „Alarm
im Weltall“ (1956) spielte und mit Hilfe
des ZAZ-Teams ein beachtliches Comeback erlebte, später an die
alten Erfolge der „Nackte Kanone“-Serie anzuknüpfen, besonders über
ein besonders misslungenes Machwerk, an dem ein deutscher Parfüm-Jäger
als Produzent beteiligt war, hüllen wir an dieser Stelle gnädig den
Mantel des Schweigens. Ist doch besser so, oder, Bernd?
Jonas Reinartz
Dieser Text ist nur in der filmzentrale erschienen
Die nackte Kanone
The Naked Gun: From the Files of Police Squad. USA 1988. R: David Zucker. B: Jim Abrahams, Jerry Zucker, David
Zucker, Pat Proft. K: Robert Stevens. S: Michael Jablow. M: Ira Newborn. P: Paramount. D: Leslie Nielsen, Priscilla Presley,
Ricardo Montalban, George Kennedy, O.J. Simpson, u.a. L: 85 min. Deutsche Erstaufführung: 27.04.1989
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