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Juha
Er
erzählt ein Dreiecksdrama. Der Film ist tragisch." Viel knapper, als
es Regisseur Aki Kaurismäki persönlich im Programmblatt des Berlinale-Forums
liefert, kann man eine Filmgeschichte wohl kaum zusammenfassen. Aki Kaurismäkis
Filme wie seine Live-Auftritte leben von seinem Talent zur treffenden Lakonie.
Rückzug aufs Wesentliche. Auf die Dialoge hat der Regisseur diesmal allerdings
verzichtet. Aki Kaurismäki hat nämlich einen Stummfilm gemacht. Einen
Film also ohne gesprochene Sprache, aber mit einer Tonspur, auf der neben eigens
komponierter Musik auch noch einige Geräusche verzeichnet sind, Türenschlagen
etwa oder das Blubbern eines alten Automotors.
Das
angekündigte Dreiecksdrama ist nicht nur tragisch, sondern auch so schlicht,
wie es sich gehört und mit Kati Outinen (die junge Bäuerin), dem bulligen
Sakari Kuosmanen (der hinkebeinige Bauer Juha) und André Wilms (Bordellbesitzer)
durchaus einleuchtend besetzt. Kaurismäki hat seine Vorlage, einen Roman
des finnischen Autors Juhani Aho aus dem Jahrhundertanfang, in die schwarzweißen
fünfziger Jahre versetzt. So kann er uns wohlgeformte Autos und Kühlschränke
vorführen und hat zugleich eine praktikable Folie, um Filmsprache und Musik
von Säuseln bis Dröhnung daran zu brechen.
Denn
irgendwie lauert bei einem solchen Projekt ja immer der Manierismus. Ganz fern
ist diese Gefahr auch bei Juha nicht. Natürlich zitiert Kaurismäki
den Stilfundus des Stummfilmkinos. Da gleißt das Licht auf dem Nachthemdchen
von Kati Outinen als wäre sie die Söderbaum. Da gibt es die künstlich
verlangsamten, expressiven Gesten. Und die Schlagschatten zeichnen sich hart
an der Kammerwand ab. Das macht Spaß. Doch der Zeitenbruch vermeidet das
Festkrallen an historisierenden Formen. Denn schon steht Kati im Tupfenkleid
in der Küche unter dem Jesusbildchen und schmeißt die Mikrowelle
(!) an, während die Band einen Rock'n'Roll hinlegt.
Nicht
viele solcher Brechungen gibt es in diesem Film. Dafür ist er zu tragisch.
Und Anspielungen gibts auch jede Menge. Einmal, gleich zu Anfang, kommt ein
chaplinesk überdimensionierter Schraubenschlüssel vor, mit dem der
Bauer sogar ins Bett geht. Als Kati fällt, da treiben die broken blossoms
in weißestem Weiß am Wasserfall vorbei.
Ein gelungenes Experiment. Ein schöner Film. Aber irgendwie fehlen die lakonischen Dialoge doch. Und war nicht das Schönste an Kaurismäkis schönsten Filmen die gelungene Verschmelzung von Kunst Licht und Farben mit dem schnöden Alltag? Das fehlt hier doch.
Silvia
Hallensleben
Dieser
Text ist zuerst erschienen bei:
Zu diesem Film gibt's im archiv der filmzentrale mehrere Texte
juha
Finnland
1999. R, P, Sch: Aki Kaurismäki. B: Aki Kaurismäki (nach dem gleichnamigen
Roman von Juhani Aho). K:
Timo Salminen. M:
Anssi Tikanmäki. T:
Jouko Lumme. A:
Markku Pätilä, Jukka Salmi. Ko: Marja-Leena Hukkanen. Pg: Sputnik
Oy/YLE/TV 1/Pandora/Pyramide. V: Pegasos. L: 78 Min. DEA: Berlinale 1999. St:
25.3.1999. D: Sakari Kuosmanen (Juha), Kati Outinen (Marja), André Wilms
(Shemeikka), Elina Salo (Shemeikkas Schwester).
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