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Jenseits
von Eden
Jenseits von Gut
und Böse
"Es begab
sich aber nach etlicher
Zeit, dass
Kain dem Herrn Opfer
brachte von
den Früchten des
Feldes. Und
auch Abel brachte
von den Erstlingen
seiner Herde
und von ihrem
Fett. Und der Herr
sah gnädig
an Abel und sein Opfer,
aber Kain und
sein Opfer sah er
nicht gnädig
an. Da ergrimmte
Kain sehr und
senkte finster seinen
Blick."
(1)
Das Konservative trifft auf das Rebellische, das
Gezähmte auf das Wilde, das Integrierte auf das Desillusionierte, das "Gute"
auf das "Böse", aber all dies nicht in einem politischen Sinn,
nicht in Gestalt "absoluter" Positionen. Nein, Elia Kazans einer klassischen
Tragödie ähnelnde und auf dem Roman John Steinbecks basierende Geschichte
um die Familie Trask verortet diese Gegensätze in einer sehr konkreten,
dichten Erzählung um Liebe und Hass, Verzweiflung, Verrat und Sehnsucht,
in der die religiösen Verweise - insbesondere die Geschichte von Kain und
Abel - die Form sind, in der sich diese Tragödie abspielt, in der Erlösung
und Tod, Befreiung und Verletzung untrennbar miteinander verbunden sind.
Der Anfang des Films zeigt ganze drei Minuten lang,
begleitet von dramatischer Musik, eine felsige Küste, bis die Kamera langsam
nach rechts schwenkt, so dass man am Horizont etliche Häuser, ein paar
Bäume und Wiesen hinter dem Meer und den Klippen sehen kann.
"In
northern
stand
like a wall between the peaceful
agricultural
town of
rough
and tumble fishing port of
Monterey, fifteen
miles away."
(aus dem Vorspann
des Films)
Wir schreiben das Jahr 1917. Ein junger Mann verfolgt
eine schwarz gekleidete Frau bis nach Hause. Sie lässt ihn durch einen
Angestellten vertreiben. "Bestellen Sie ihr, dass ich sie hasse",
sagt der junge Mann dem Angestellten im Weggehen, steigt auf das Dach eines
Güterwagens und fährt so wieder nach Hause. Die Frau heißt Kate
(Jo van Fleet) und leitet ein Bordell und eine verruchte Kneipe in Monterey.
Der junge Mann heißt Cal Trask (James Dean), und jemand hat ihm erzählt,
seine Mutter sei nicht nach seiner und seines Bruders Geburt gestorben, sondern
lebe in Monterey. Kate ist seine Mutter.
Cals Vater Adam (Raymond Massey) ist ein tief religiöser
Mann, sein Bruder Aron (Richard Davalos) kommt nach seinem Vater. Und Cal? Cal
ist ein rebellischer, innerlich aufgewühlter junger Mann, der von seinem
Vater nicht geliebt, ja, eigentlich verachtet wird. Cal kämpft stündlich,
ja jeden Augenblick um die Anerkennung und Zuneigung Adams, vergeblich.
Als Adam noch einmal in seinem Leben eine große
Chance wittert, nämlich mit der Kühlung von Lebensmitteln durch Eis
während des Transports mit der Eisenbahn, benutzt Cal eine gestohlenen
Kohlenrinne, damit die Arbeiter die Kohlköpfe besser aussortieren und verpacken
können. Ein kühles Lob und der Vorwurf, man dürfe nicht stehlen,
sind alles, was er von seinem Vater zu hören bekommt.
Cal erzählt seinem Vater, er wisse, dass seine
Mutter noch lebe. Aber Adam erwidert nur widerwillig und deprimiert, dass er
nicht wisse, warum Kate ihn verlassen habe, dass sie alles und jeden gehasst
habe, wohl auch ihn. Von Kate, die Cal immer wieder versucht zu sprechen, erfährt
er schließlich, dass sie gegangen sei, weil Adam sie habe einsperren wollen,
weil sie keine Luft zum Atmen gehabt habe.
Von ihr leiht sich Cal 5.000 Dollar. Adam hat genau
dieses Geld verloren, als der Güterzug, auf dem er die gekühlten Kohlköpfe
transportiert hatte, stecken blieb, das Eis taute und die Kohlköpfe vergammelten.
Jetzt will Cal mit dem Geld in Bohnen spekulieren. Denn der Kriegseintritt der
USA steht kurz bevor, der Bohnenpreis steigt, weil die Armee Bohnen für
ihre Soldaten in Europa benötigt. Cal verdient einen Haufen Geld. Als er
es seinem Vater zu dessen Geburtstag schenken will, lehnt der das schmutzige
Geld, das Cal mit dem Krieg verdient hat, ab. Es kommt zu einer Katastrophe ...
"Da sprach
der Herr zu Kain. Warum
ergrimmst du?
Und warum senkst du
deinen Blick?
Ist's nicht also? Wenn
du fromm bist,
so kannst du frei den
Blick erheben.
Bist du aber nicht fromm,
so lauert die
Sünde vor der Tür, und nach
dir hat sie
verlangen; du aber herrsche
über sie."
(1)
Kazan setzte in "East of Eden" auf intensive
Charakterdarstellung, eine glaubwürdige Familiengeschichte und das, was
man einen Katalysatoreffekt innerhalb einer solchen Tragödie nennen könnte,
in Person des ungeliebten Sohns Cal. Das Rebellische in Cal, das Aufbegehrende
richtet sich jedoch nicht nur gegen die Gefühlskälte seines Vaters,
eines Mannes, der sich selbst für absolut rein und ehrlich hält, für
unfehlbar könnte man sagen, für einen Mann, der immer alles richtig
macht, der immer weiß, welchen Weg er einzuschlagen hat. Cal will wissen,
wer er ist, will das Familiengeheimnis seiner Eltern lüften. Und er hasst
seinen Bruder dafür, dass beider Vater nur Aron zu lieben scheint. Selbst
dieser Hass allerdings ist genauso wenig absolut wie die vermeintliche charakterliche
Reinheit seines Vaters.
Wir sehen Aron, der seinem Vater alles gleicht macht,
dessen Zukunft in ebensolcher Reinheit bereits derart vorgeplant ist, dass man
sich den Lebensweg bildlich vorstellen kann. Aron ist mit Abra (Julie Harris)
verlobt, einer jungen, sensiblen und intelligenten Frau, die anfangs meint,
in Aron den einzig richtigen Mann für ihr Leben gefunden zu haben, die
Angst hat vor Cal, weil sie die Motive seines Verhaltens nicht versteht, weil
sie ihn zunächst für schlecht hält, wie Aron und Adam dies immer
wieder äußern. Doch im Unterschied zu Aron und Adam will sie wissen,
was in Cal vorgeht, sie nähert sich ihm, versucht zu verstehen.
Bestechend an "East of Eden" ist vor allem,
dass Kazan ausnahmslos alle Akteure in ihrer Zwiespältigkeit zeigt:
- Adam, die Reinheit in Person, der seinen Söhnen
verheimlicht, warum Kate gegangen war, dass er sie nicht liebte, sondern nach
seinen Vorstellungen bändigen wollte;
- Aron, der nichts besseres zu tun weiß, als
seinem Vater in jeder Hinsicht zu folgen, um seine Anerkennung als braver Sohn
zu erheischen; der die Augen vor allem verschließt, was nicht in dieses
Bild passt;
- Kate, die ihre Freiheit auskostet, indem sie das
Verruchte zum Geschäft gemacht und ihre Söhne allein gelassen hat;
- Abra, die sich in das Reine von Aron verliebt hat,
nicht in Aron selbst, und die erst spät merkt, dass Cal ihr viel näher
steht;
- und Cal, der alles, auch falsche tun würde,
um die Liebe seines Vaters zu gewinnen; der sogar bereit ist, sich diese Liebe
zu erkaufen.
Weil Cal aus Rache seinem Bruder von der Existenz
der Mutter erzählt, ihn zu ihr führt, so dass Aron aus Verzweiflung,
vor allem aber, weil sein hohles Weltbild zusammenbricht, freiwillig in den
Krieg zieht, erleidet Adam einen Schlaganfall. Hier sind wir wieder bei der
Geschichte von Kain und Abel, und ein langjähriger Freund Adams, der Sheriff
(Burt Ives) wirft Cal vor, so wie Kain gehandelt zu haben. Warum er nicht auch
weggehe wie dieser ins Land Nod.
Der Sheriff hat nichts verstanden. Nur Cal und Abra,
die sich lieben, haben verstanden. Man mag diesen Schluss - als Cal sich entscheidet,
seinen todkranken Vater zu pflegen - für rührselig halten. Doch das
trifft den Kern der Geschichte nicht. Die Akteure durchschreiten im Verlauf
der Geschichte all das, was wir alle in der einen oder anderen, stärkeren
oder milderen Form erleben: den fatalen Irrtum ebenso wie die Verdrängung
von Konflikten, den Verrat an uns selbst wie an anderen, den Hass wie die Suche
nach dem, was Liebe heißt. Der Schluss stellt trotz der tragischen Ereignisse
etwas dar, was wie ein Gewitter klärend wirkt. Das Ende ist vor allem Versöhnung,
Ankommen an einem Ort (in uns), in dem nicht die Friedhofsruhe der Vergangenheit
herrscht, sondern eine Ruhe, die von Liebe und Geborgenheit, Ehrlichkeit geprägt
ist.
Dass das Tragische, der Verrat, die Rache, der Hass
an diesen Ort führten, ist nicht unabdingbar. Dass sie aber sehr oft (schreckliche)
Voraussetzung dafür sind, diesen Ort zu finden, muss einem zu denken geben.
Das Zerrissene in allen Akteuren dieser Geschichte, das Fehlen einer quasi homogenen
Mentalität, die einen Ausgleich von "Gut" und "Böse"
in sich trägt, um beides "auf gesunde Weise" zu relativieren,
ist gerade wegen dieser exzellenten Inszenierung der Geschichte hoch aktuell.
Der Film verweigert sich nämlich jeglicher Schwarz-Weiß-Malerei -
so wie John Steinbeck dies bereits in seinem Roman getan hatte.
DVD
Sprachen:
Deutsch (Dolby Digital 1.0) Englisch (Dolby Digital 5.1) Spanisch (Dolby Digital
1.0)
Untertitel:
Deutsch, Englisch, Spanisch, Italienisch, Portugiesisch, Dänisch, Finnisch,
Norwegisch, Schwedisch, Hebräisch, Polnisch, Tschechisch, Kroatisch, Griechisch,
Ungarisch, Türkisch, Icelandic, Französisch
Bildformat: 16:9, 2.55:1
Dolby, HiFi Sound, PAL, Special Edition
DVD
Erscheinungstermin: 16. September 2005
Die
Special Edition von Warner Home Video enthält neben einer DVD mit dem Hauptfilm
sowie einem Audiokommentar des Filmkritikers Richard Schickel eine zweite DVD
mit folgenden Specials:
"Forever
James Dean" - eine 60 Minuten lange Dokumentation der Chelsea Communications
über James Dean von 1988 zur Biografie des Schauspielers, gespickt mit
vielen Interviews von Schauspielern und Leuten, die ihn kannten. Sehr informativ.
"Jenseits
von Eden: Art in Search of Life" - Dokumentation zum Roman und zu Steinbeck
und den autobiografischen Bezügen des Romans (20 Minuten).
Probeaufnahmen:
Man sieht James Dean und Richard Davalos bei Probeaufnahmen mit einem Text,
der im Film nicht verwendet wurde. Sie streiten sich im Schlafzimmer (6 Minuten).
Kostümtests:
Alle Schauspieler bei verschiedenen Kostümtests (22 Minuten).
Nicht
verwendete Szenen: Unter anderem die gleiche Szene wie unter "Probeaufnahmen",
aber mit richtigem Text, in dem es um die Liebe des Vaters geht und beide Brüder
darüber reden (19 Minuten).
Die
Filmpremiere vom 9.3.1955 in New York mit Ausschnitten einer TV-Sendung, bei
der Interviews mit Prominenten aus der Filmbranche geführt werden (14 Minuten).
Die
Special-Edition ist insgesamt eine sehr interessante, kurzweilige und informative
Ergänzung zum Film.
Der
Film selbst wurde für die DVD-Edition neu digital abgetastet. Er enthält
im übrigen auch (deutsch nicht synchronisierte) Stellen aus dem
Film, die in der deutschen Kinofassung wohl nicht vorhanden waren. Es handelt
sich u.a. um Szenen, in denen es um die Auseinandersetzungen in Salinas um den
Eintritt der USA in den Krieg geht und ein deutschstämmiger Amerikaner
von seinen Mitbürgern attackiert wird.
Ulrich Behrens
Dieser Text ist zuerst erschienen
bei:
Jenseits
von Eden
(East
of Eden)
USA
1955, 115 Minuten (DVD: 113 Minuten)
Regie:
Elia Kazan
Drehbuch:
Paul Osborn, nach dem Roman von John Steinbeck
Musik:
Leonard Rosenman
Kamera:
Ted D. McCord
Schnitt:
Owen Marks
Darsteller:
Julie Harris (Abra), James Dean (
(1) 1. Mose 4, 3-7
(1) Zum historischen
Hintergrund von "Kain und Abel" vgl.:
Quelle: Wörterbuch - Lexikon - Stichwortverzeichnis:
LEBEN-MORAL-GLAUBEN http://basisreligion.reliprojekt.de/kainundabel.htm
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