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Hero
Das
zwanzigste Schriftzeichen
Zum
Schwert drängt alles: Zhang Yimous neuer Film "Hero" nutzt die
Kunst
des Kampfes, um die Einigung des chinesischen Reiches zu preisen
In
ihrer Ästhetik manifestiert sich die Geisteshaltung totalitärer Ideologien
in ihrem ganzen, abscheulichen Ausmaß. Einen sicheren Instinkt konnte
man den politischen Souveränen des 20. Jahrhunderts in dieser Hinsicht
nie absprechen, bewegten sich doch sowohl Mussolini mit den Futuristen als auch
Hitler mit Riefenstahl und Stalin mit dem späten Eisenstein immer entlang
avantgardistischer Strömungen. Der Schauwert dieser populistischen Ideologien
entsprang vor allem der Verbindung von folkloristischer Thematik und innovativer
Form. Der einfache Fahnenträger hat den Mechanismus solcher Propaganda
nie zu durchdringen vermocht. Schließlich ist es für den Erfolg von
Propaganda unerlässlich, dass ihr Apparat hinter dem Apparat des Kinos
verschwindet.
Heutzutage
bringt natürlich fast jeder Film Ideologie hervor. Wäre Zhang Yimous
"Hero" zu einer anderen Zeit entstanden, etwa während der 60er,
wäre die Bezeichnung Propagandafilm allerdings mehr als angebracht gewesen
- bis hin zu der Tatsache, dass er sich einer ganz spezifischen Ästhetik
bedient, die dazu noch im ostasiatischen Kino auf eine lange Tradition zurückblickt.
Das Erstaunliche daran bleibt, dass gerade Zhang Yimou über jeden Ideologieverdacht
erhaben ist. Er gehört zu jenen chinesischen Regisseuren, die von ihrer
Regierung immer misstrauisch beäugt wurden (sein Film "Heimweg"
setzte sogar die romantische Liebe, das Individuum also, gegen die Kulturrevolution,
das große Ganze).
Mit
seiner kruden Mischung aus Carl Schmittscher Omnipotenz und traditionsreicher
Schwertkämpferphilosophie mutet "Hero" dagegen vor allem deswegen
so befremdlich an, weil der Film ein ganzes Genre, den Wuxia Pian, gegen sich
selbst verkehrt. Das kantonesische Schwertkampfgenre ist seit jeher eine Lobpreisung
des Kampfes der Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker. Mit seiner
Auslegung eines alten Mythos um den ersten chinesischen Kaiser Shih Huang Ti,
der um 220 vor unserer Zeitrechnung die sieben chinesischen Völker mit
beispielloser Brutalität zu einem Reich vereinigte, unterzieht Zhang Yimou
den Wuxia Pian nun einer Revision, ohne die schwerelose, märchenhafte Ästhetik
des Genres im Geringsten zu brechen. Bedeutungsvoll hängt in "Hero"
das Schriftzeichen für "Schwert" hinter dem Thron des "Qin"-Kaisers,
des späteren Shih Huang Ti. Es ist eine Trophäe von Broken Arrow,
einem Meister der Kalligraphie und des Schwertkampfes, das der "Namenlose"
(Jet Li) dem Kaiser von seiner Mission zurückgebracht hat. Diese hatte
darin bestanden, die drei Attentäter Broken Sword (Tony Leung), Flying
Snow (Maggie Cheung) und Sky (Donnie Yen) zu liquidieren. Die Erfüllung
seiner Mission hat ihn nun bis auf zehn Meter an den blutrünstigen Monarchen
herangebracht. Der "Namenlose" soll dem Kaiser von seinem Triumph
berichten. Aber auch er hat einen gefährlichen Plan im Hinterkopf.
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Schriftzeichen, erzählt der "Namenlose" dem Kaiser, existieren
in der Region Zhao für das Wort "Schwert", aber erst das zwanzigste
hätte ihm das Geheimnis von Broken Arrows Schwertkunst offenbaren sollen.
Ein weiteres Schriftzeichen erlangt im Film später ebenfalls zentrale Bedeutung,
und ebendiese Bedeutung führt schließlich auch die fragwürdige
Wandlung des Helden herbei: "Alle unter einem Himmel" lautet seine
Übersetzung, und in den Wüstensand wurde es gezeichnet von Broken
Arrow - er hat in der Wüste seine späte Erleuchtung gefunden.
"Alle
unter einem Himmel" bedeutet in "Hero" in etwa so viel wie "Heim
ins Reich": Es obliegt demjenigen, dessen Schwert am mächtigsten und
dessen Armee am grausamsten ist, die Epoche der Kriege zu beenden und das Reich
zu vereinen. Der Qin-Kaiser scheint diesem Profil zu entsprechen, weswegen er
am Ende vom Schwert des letzten Attentäters verschont bleibt.
Das
Verlangen nach einem starken Souverän hat schon in den Lehren Carl Schmitts
seltsamste Blüten getragen. Ansätze von Schmitt lassen sich tatsächlich
auch in "Hero" wiederfinden. Die Bereitschaft zu Krieg und Vernichtung
bildet das politische Selbstverständnis des Schmittschen Souveräns.
Das "Monopol der politischen Entscheidung", Schmitts Idealbild einer
Regierungsform, kann auch in "Hero" scheinbar erst durch die gewaltsame
Vereinigung des Reiches wirksam werden. Bei Zhang Yimou heißt das: Die
Ansprüche des Individuums müssen hinter die Anforderungen des Gemeinwohls
zurücktreten.
Dies
findet in der ostasiatischen Erzähltradition starken Anklang, und Zhang
Yimou hat alles aufgeboten, seine Botschaft auch in einem traditionellen Sinne
zu inszenieren. Imposante Landschafts- und Farbtableaus repräsentieren
in "Hero" verschiedene menschliche Gefühlszustände, an denen
seine Helden zugunsten der großen Idee scheitern müssen. Sie bewegen
sich durch die Lüfte; und es ist die Erhabenheit weiser Krieger, die sie
selbst über die Wasseroberfläche gleiten lässt. Willenskraft
und Geist, sagt der "Namenlose", sind die Prinzipien, auf denen sowohl
Kalligraphie als auch Schwertkunst beruhen.
Das
ominöse zwanzigste Schriftzeichen für "Schwert" trägt
schließlich das höchste Ziel des Schwertkämpfers in seinen Strichen:
Es ist die Entsagung des Schwerts in Hand und Herz, damit die Menschheit endlich
ihren Frieden finde. Der Haken ist nur, dass Frieden in "Hero" unwiderruflich
Krieg bedeutet.
Andreas
Busche
Dieser
Text ist zuerst erschienen in der taz
Zu diesem Film gibt es im archiv der filmzentrale mehrere Texte
Hero
Hongkong
/ China 2002 - Originaltitel: Ying xiong - Regie: Zhang Yimou - Darsteller:
Jet Li, Tony Leung Chiu-Wai, Maggie Cheung Man-Yuk, Zhang Ziyi, Donnie Yen,
Chen Daoming, Liu Zhong Yuan - Prädikat: besonders wertvoll - Länge:
99 min. - Start: 5.6.2003
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